Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
nebenbei bemerkt. Wenn Rallick vorbeikommt und nach mir sucht, sag ihm, dass ich später wiederkomme.«
Er nahm die Hintertreppe, ging durch die feuchte, enge Küche und hinaus auf die Gasse, wo die Kühle der gerade zu Ende gegangenen Nacht noch in der Luft lag. Er musste mit Rallick Nom sprechen, aber nicht jetzt gleich. Er fühlte sich ein bisschen benommen. Der Schock von seiner Rückkehr, vermutete er, der Zusammenstoß in seinem Innern zwischen demjenigen, der er einst gewesen war, und demjenigen, der er jetzt war. Er musste erst mal richtig ankommen, seine Verwirrung abschütteln. Wenn er erst wieder klar denken konnte, würde er wissen, was zu tun war.
Dann also hinaus in die Stadt. Um umherzuwandern. Das war nicht ganz das Gleiche wie sich selbst überlassen sein , oder?
Nein, diese Tage waren längst dahin.
Die Wunde war schnell verheilt, was ihn an die Veränderungen erinnert hatte – an den Otataralpuder, den er sich erst vor ein paar Tagen in die Haut gerieben hatte. Zumindest kam es ihm nur wie ein paar Tage vor. Es war der Auftakt zu einer Nacht voller Mord und Totschlag gewesen, die jetzt Jahre zurücklag. Die anderen Veränderungen erwiesen sich allerdings als weitaus besorgniserregender. Er hatte so viel Zeit verloren. War aus der Welt verschwunden gewesen – und die Welt hatte sich einfach ohne ihn weitergedreht. Als ob Rallick Nom tot gewesen wäre, ja, da gab es keinen Unterschied – nur, dass er jetzt wieder da war, was nicht so war, wie die Dinge sein sollten. Ziehe einen Stecken aus dem Schlamm, und der Schlamm fließt in das Loch, um es zu schließen, bis nichts mehr davon zu sehen ist, dass da vorher mal ein Stecken war.
War er immer noch ein Assassine der Gilde? Im Augenblick nicht, und diese Tatsache eröffnete ihm so viele Möglichkeiten, dass er gedanklich davor zurückschreckte, sich stolpernd zu der einfacheren Vorstellung rettete, in die Katakomben hinunterzusteigen, zu Seba Krafar zu gehen und zu verkünden, dass er wieder da war; die Vorstellung, sein altes Leben wieder aufzunehmen – ja, genau das war es.
Und wenn Seba auch nur ein bisschen wie der alte Talo war, würde er lächeln und sagen: Willkommen zurück, Rallick Nom. Von diesem Augenblick an wären Rallicks Aussichten, da jemals wieder lebendig rauszukommen, praktisch nicht mehr vorhanden. Seba würde die Bedrohung, die da vor ihm stand, unverzüglich erkennen. Rallick war ein Günstling von Vorcan gewesen, und das allein reichte als Rechtfertigung, um ihn loszuwerden. Seba wollte keine Rivalen – er hatte genug davon gehabt, sofern Krutes Geschichte von den Lagern stimmte.
Er hatte im Hinblick auf die Gilde noch eine andere Möglichkeit. Er könnte hingehen und Seba Krafar töten und dann verkünden, dass er einstweilen der Meister war, der auf Vorcans Rückkehr wartete. Oder er könnte so lange wie möglich untertauchen und darauf warten, dass Vorcan selbst einen Zug machte. Dann, wenn sie wieder über das Nest herrschte, könnte er aus der Versenkung auftauchen, und die fehlenden Jahre würden bedeutungslos sein. Das hatte er mit Vorcan gemein, und deswegen würde sie niemandem außer Rallick trauen. Er würde Stellvertreter werden, und wie könnte er damit nicht zufrieden sein?
Oh, dies war eine alte Krise – inzwischen mehrere Jahre alt. Sein Gedanke, dass Turban Orr die letzte Person sein würde, die er tötete, war damals genau so dumm gewesen wie jetzt.
Er saß in seinem Zimmer auf der Bettkante. Unten in der Schankstube konnte er Kruppe hören, der die Köstlichkeiten des Frühstücks erläuterte, unterbrochen von Miras gelegentlichen gedämpften, aber zweifellos schonungslosen Kommentaren, und was die beiden anging, war es tatsächlich so, als hätte sich nichts geändert. Über Murillio ließ sich das leider nicht sagen. Oder über Crokus, der jetzt Schlitzer genannt wurde – ganz gewiss der Name eines Assassinen, der nur zu gut zu dem Mann passte, zu dem Crokus geworden war. Und wer hat ihm beigebracht, so mit Messern zu kämpfen? Das hatte was vom malazanischen Stil – Klaue, in der Tat.
Rallick hatte damit gerechnet, dass Schlitzer ihn besuchen würde, hatte sich auf eine wahre Flut von Fragen eingestellt. Er würde es erklären wollen, oder etwa nicht? Würde versuchen, seine Entscheidung Rallick gegenüber zu rechtfertigen, selbst wenn es keine Rechtfertigung gab. Er hat nicht auf mich gehört, oder? Hat meine Warnungen nicht beachtet. Nur Idioten glauben, dass sie etwas bewirken können.
Weitere Kostenlose Bücher