Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
Tiefen zu wirbeln. All dies, verschlungen von einer Illusion.
Da war einst eine Frau gewesen, und ja, er hatte sie vielleicht geliebt. Wie die Hand, die ins kühle Wasser gestreckt wird, war er vielleicht von diesem berauschenden Gefühl gestreift worden, dieser Besessenheit, von der das Blut flüsterte, für die Poeten starben und deretwegen manche ihre Liebsten töteten. Und er erinnerte sich daran, wie er sie zum letzten Mal gesehen hatte, unten am Dorssan Ryl, wahnsinnig geworden (wie so viele andere), nachdem Mutter sie verlassen hatte, und dass da nichts in ihren Augen gewesen war, das er wiedererkannt hätte. Dass er in einem Gesicht, das er gekannt, das er bewundert hatte, diese entsetzliche Abwesenheit erblickt hatte – sie war fort, und sie würde niemals zurückkehren.
Und so habe ich ihren Kopf unter Wasser gehalten, habe zugesehen, wie diese starrenden, nichts begreifenden Augen sich immer mehr weiteten, sich mit blinder Panik füllten – und da! In jenem letzten Moment habe ich da nicht … ein plötzliches Licht gesehen, ein plötzliches …
Oh, dies war ein Alptraum. Er hatte nichts getan, er war ein viel zu großer Feigling gewesen. Und er hatte gesehen, wie sie mit all den anderen, die der Verlust so getroffen hatte, aufgebrochen war, wie sie sich auf eine hoffnungslose Pilgerreise begeben hatten, eine unheilvolle Suche, um sie wiederzufinden. Was für eine Reise musste das gewesen sein! Bevor der letzte Verrückte zum allerletzten Mal fiel, den Schlusspunkt setzte hinter eine Spur aus Leichnamen, die viele Meilen lang war. Ein Kreuzzug der Wahnsinnigen, der ins Nirgendwo wanderte.
Nachdem sie gegangen waren, war Kharkanas praktisch eine leere Stadt. Und so hatte Anomander Rake zum ersten Mal über hallende Zimmer und leere Häuser geherrscht. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
Und eine Ruhe, die dahintrieb wie Treibgut im Strom, das noch nicht von den Stromschnellen eingefangen war, das noch nicht so mit Wasser vollgesogen war, dass es sank, stolperte wie ein abgetrennter Mond in das schlammige Bett. Natürlich konnte es nicht so bleiben. Ein weiterer Verrat war notwendig, um die Welt ein für alle Mal zu zerschmettern.
In der vergangenen Nacht war Endest Silann in einem Korridor des oberen Stockwerks dem Sohn der Dunkelheit begegnet, als er zu einem der hinteren Lagerräume unterwegs gewesen war. Irgendein Mensch hatte – zweifellos in ehrbarer Absicht – auf beiden Seiten des Korridors eine Reihe alter Wandteppiche der Andii aufgehängt. Auf ihnen waren Szenen aus Kharkanas zu sehen, und eine davon zeigte tatsächlich Dorssan Ryl – obwohl das niemand wissen würde, dem dieser besondere Aussichtspunkt nicht vertraut war, denn der Fluss war nicht mehr als ein dunkler Streifen, eine Kralle, die sich ums Herz der Stadt krümmte. Die Wandteppiche waren nicht auf irgendeine besondere Weise angeordnet – denn derjenige, der sie aufgehängt hatte, hatte keine Ahnung, was die einzelnen Szenen bedeuteten –, und diesen Korridor entlangzugehen bedeutete daher, ein Kaleidoskop aus Bildern auf sich einstürzen zu sehen, so verschieden wie Erinnerungen, von denen keine einzige mit der anderen verbunden war. Anomander Rake hatte vor einem dieser Teppiche gestanden, mit dunklen bernsteinfarbenen Augen, die so raubtierhaft und unverwandt auf die Szene vor ihm gerichtet waren wie die eines Löwen vor dem tödlichen Angriff auf seine Beute. Auf dem verblassten Wandteppich stand eine große Gestalt – ein Mann – inmitten eines Gemetzels. Die Leichen, die vor ihm fielen, bluteten alle aus Wunden im Rücken. An der Darstellung war nichts Feinsinniges, die Empörung des Webers troff aus jedem Faden. Der Mann hatte weiße Haut und schwarze Augen und lange, schweißdunkle Haare, die wie herabhängende Seile zu Zöpfen geflochten waren. Mit schlanken Schwertern in den Händen sah er den Betrachter an, herausfordernd und kalt. Am geplagten Himmel hinter ihm kreisten Locqui-Wyrm mit Frauenköpfen, die Münder zu Schreien aufgerissen, die beinahe zu hören waren.
»Er wollte es nicht«, sagte Anomander Rake.
Aber er hat es getan. »Eure Fähigkeit zu vergeben übersteigt meine bei weitem, Lord.«
»Der Körper folgt dem Geist, aber manchmal ist es auch anders herum. Es hat eine Kabale gegeben. Ehrgeizig, hungrig. Sie haben ihn benutzt, Endest, haben ihn auf furchtbare Weise benutzt.«
»Sie haben dafür bezahlt, oder?«
»Wir alle haben dafür bezahlt, alter Freund.«
Endest Silann sah zur Seite.
Weitere Kostenlose Bücher