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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Lachen. »Kannst du mich jetzt spüren, Nimander?«
    Reichte allein die Idee des Wassers, um eine Illusion zu schaffen, die so vollkommen war, dass sämtliche Sinne getäuscht wurden? Die sich schlängelnden Windungen des Einen Flusses, der als Dorssan Ryl bekannt war, umschlossen Kharkanas, die Erste Stadt, zur Hälfte. Bevor das Licht gekommen war, hatte es auf seiner mitternachtsschwarzen Oberfläche keinerlei Spiegelungen gegeben, und eine Hand in den unablässig dahinströmenden Fluss zu tauchen bedeutete nichts weiter, als einen kühleren Hauch auf der Haut zu spüren, wenn die Strömung sich seufzend um das Hindernis herumbewegte. »Wasser in Dunkelheit, Träume im Schlaf« – oder so ähnlich hatte einer der verrückten Dichter des dreiundneunzigsten Jahrhunderts geschrieben, während der Phase jenes stilistischen Trends in der Dichtkunst, der von Knappheit charakterisiert war, ein Stil, der im folgenden Jahrhundert während einer Periode der Kunst und Redekunst, die als die Blühend-Helle bekannt war, zusammenbrach.
    Eine vollkommene Illusion von Wasser … unterschied sich das grundsätzlich nicht von echtem Wasser? Wenn die Sinne einem all das übermitteln, was die Welt definiert, waren sie dann nicht die Vermittler der Wirklichkeit? Als junger Akolyth hatte Endest Silann, befeuert von Leidenschaften aller Art, Glockenschlag um Glockenschlag mit seinen Mitstudenten über solche Dinge diskutiert. Über all jene Themen, die man mit »Essenz der Wirklichkeit, Sinne werden lügen« umschreiben könnte und die damals so bedeutungsvoll schienen, bevor alle Universen in der Feuersbrunst der Schöpfung explodierten und dabei all diese hellen, lodernden Kerzen über den Rand des Tischs schoben, hinunter in ein wirbelndes Meer aus Wachs, wo jede Vorstellung, jede Idee zu einer und keiner verschmolz, zu verbrühendem Matsch wurde, der alle ertränkte, ganz egal, wie schlau, wie weise, wie poetisch sie auch waren.
    Was halte ich heute von diesen Tagen? Ich sehe nichts als den Unsinn meiner vergeudeten Jugend. »Gewissheit reinigt, eine Welt ohne Wunder.« Oh, dann waren jene prägnanten Poeten vielleicht tatsächlich über etwas gestolpert. Ist es das, wovon ich jetzt besessen bin? Der Verdacht, dass alle Wahrheiten, die wichtig sind, irgendwo in der Seele eines Jugendlichen liegen, in jener Zeit der Unbesonnenheit, in der Worte und Gedanken noch leuchten konnten – als wenn sie aus Nichts geboren worden wären, ausschließlich zu unserer persönlichen Erbauung.
    Generation um Generation ändert sich dies nicht. Zumindest glauben wir das, um uns zu trösten. Doch ich frage mich jetzt, wird dieser vergnügliche Zeitraum kürzer? Zieht er sich zusammen, zu einer neuen Art von Kürze verflucht – jener Kürze, der Unwissenheit vorausgeht und Zynismus folgt, die beide den kostbaren Augenblick bedrängen?
    Was ist dann mit der nächsten Generation? Am Mangel an Wundern leidend, gleichgültig, was die Wirklichkeit oder Unwirklichkeit des vorbeifließenden Wassers angeht, sich nur darum sorgend, ob sie treiben oder untergehen. Und dann leider auch den Sinn für den Unterschied zwischen den beiden verlierend.
    Hier, in diesem bescheidenen Zimmer, gab es niemanden, der seine Gedanken hören konnte. Niemanden, den es überhaupt kümmerte. Taten mussten vorwärtstaumeln, denn sonst langweilen sich all diese Zeugen und werden unruhig. Und selbst wenn Geheimnisse in den lichtlosen Wirbeln irgendeines unsichtbaren, ungeahnten Flusses hausten – was spielte das schon für eine Rolle, wenn die Anstrengung, tief zu graben, schlicht zu viel war? Nein, da war es besser … sich treiben zu lassen.
    Doch sich Sorgen um die knapp zwei Dutzend jungen Tiste Andii zu machen, die nun in Schwarz-Korall heranwuchsen, war vergeudete Energie. Er hatte keine Weisheit anzubieten, selbst wenn einer von ihnen geneigt gewesen wäre, ihm zuzuhören, was nicht so war. Die Alten besaßen nichts außer der einzigen Tugend, überlebt zu haben, und wenn sich nichts änderte, war es in der Tat eine hohle Tugend.
    Er erinnerte sich an den großen Fluss, das tiefschürfende Geheimnis seiner Existenz. Dorssan Ryl, in den die Abwässerkanäle das düstere, vom Regenwasser verdünnte Blut der Toten und der Sterbenden leiteten. Der Fluss, der seine Wirklichkeit in einem Tosen verkündete, als der Regen in Sturzbächen fiel, als Wolken ächzend wie Tiere in die Knie gingen, nur um sich in die jetzt wütende Strömung einzufügen und hinunter in die schwarzen

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