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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Staub, über die irgendein Erwachsener hinwegtrampeln würde, ohne auch nur einen Gedanken an sie zu verschwenden, sind in Wirklichkeit die Knochen einer riesigen Welt, bekleidet, ausgestaltet, eine Festung, ein Wald, eine große Mauer, gegen die schreckliche Horden anrennen und von einer Handvoll grimmiger Helden zurückgeworfen werden. Ein Nest für Drachen, und diese schimmernden, glatten Kiesel sind ihre Eier, und jedes beheimatet eine wütende, glorreiche Zukunft. Nichts wurde je bereits erfüllt erschaffen, von Anfang an überbordend, freudig triumphierend, und alle Machenschaften und Intrigen der Erwachsenen sind nichts als geisterhafte Erinnerungen an ihre Kindheit und deren Wunder, auf ungünstige Weise mit zwingenden Aufgaben und vernünftigen Absichten gepaart, und jede Fassade hat eine Geschichte zu erzählen, eine Legende in stilisierter Schicklichkeit zu bewahren. Statuen in Alkoven tragen unveränderliche düstere Züge, bleiben gleichgültig gegenüber allen, die vorbeigehen. Reglementierungen beherrschen jeden einzelnen knarrenden, steifen Geist, der sich in seinem Verhalten und seiner Furcht eingerichtet hat.
    Kinder in Arbeit zu zwingen bedeutet Künstler zu töten, ihnen jegliches Staunen, den flackernden Pfeil der Phantasie, so lebendig wie von Zweig zu Zweig hüpfende Finken, für immer auszutreiben – und all das wird nur zermalmt, um den Bedürfnissen der Erwachsenen und ihren herzlosen Erwartungen zu dienen. Ein Erwachsener, der so etwas verlangt, ist innerlich tot, ihm fehlen die leuchtenden, tanzenden Farben der Nostalgie, so weich, so köstlich, so erfüllt von bittersüßer Sehnsucht – er ist innerlich tot, ja, und auch äußerlich. Leichen in Bewegung, voll der kalten Feindseligkeit, welche die Untoten allem entgegenbringen, das noch lebendig ist, allem, das noch warm ist, noch atmet.
    Sie bemitleiden? Nein, niemals. Niemals, solange sie Horden von Kindern zu grässlicher Arbeit treiben und sich dann in lässiger Pose an den unzähligen Belohnungen gütlich tun.
    Wagt es dieses rundliche Selbst, in ein hartes Urteil hinabzusteigen? Dieses rundliche Selbst wagt es! Eine Welt, die aus einer Handvoll Stöcke gebaut ist, kann einem die Tränen in die Augen treiben, während der Künstler auf Händen und Knien zwei Dutzend wortlose Lieder singt, mit hundert Stimmen spricht und unsichtbare Gestalten über das weite Panorama der Leinwand des Geistes bewegt (und nur einmal eine Pause macht, um sich die Nase am Ärmel abzuwischen). Es wagt dies so sehr! Und eilt, um solch grausamem Missbrauch den Untergang zu bringen.
    Selbst eine Schlange hat grandiose Pläne und muss sich dennoch Stückchen für Stückchen dahinschlängeln, muss mit Entfernungen kämpfen, über die ein Riese oder ein Gott nur spotten würde. Unentwegt in diese oder jene Richtung züngelnd, um dem Geruch auf der Spur zu bleiben. Erlösung bietet die wohlschmeckende Frucht am Ende der Jagd – das von der Sonne erwärmte Vogelei, die weiche, kuschelige Ratte, die zwischen den Kiefern gefangen ist.
    So sucht die Schlange, der Freund der Rechtschaffenen. So gleitet der Aal durch den aufgewirbelten Dreck der Welt, mit tastenden Barteln. Bald, so hofft man, bald!
    Jung-Harllo dachte nicht an Gerechtigkeit oder an rechtmäßige Freiheit, und er war auch nicht müßig damit beschäftigt, glitzernde Welten aus den glänzenden Adern rohen Eisens oder den Goldsprengseln inmitten kalten, scharfkantigen Quarzits zu gestalten. Er hatte keine Zeit, in irgendeinem überwucherten Stadtgarten zu knien und winzige Festungen oder Schilfbrücken über Wasserrinnen zu bauen, die der gestrige Regen zurückgelassen hatte. Nein, denn Harllos Kindheit war vorbei. Mit sechs Jahren.
    In diesem Moment lag er von der Dunkelheit verschluckt auf einer Platte aus hartem, schwarzem Stein. Er konnte kaum die Arbeiter weit über sich hören, obwohl dann und wann Felsbrocken die Spalte herunterpolterten, deren hartes Gebell beim Aufprall vom Boden tief unten zurückhallte.
    Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte er an einem Seil gehangen, und es hatte dabei keinen achtlosen Hagel aus Steinen gegeben – von denen jeder einzelne ihm den Schädel zerschmettern könnte. Als er damals hier heruntergelassen worden war, hatten seine ausgestreckten Arme keine Wände berührt, was ihn hatte glauben lassen, dass die Spalte riesig war, dass sie sich vielleicht zu einer Höhle hin öffnete. Dieses Mal gab es natürlich kein Seil – Harllo sollte eigentlich nicht

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