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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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dafür ist, Zynismus in der Priesterschaft zu wecken – einen Zynismus, der unausweichlich zu weltlicher Habgier führen würde.
    Dieser Verlust war nicht einfach nur der Verlust des Glaubens an den Erlöser. Es war der Verlust des Glaubens an Religion an sich.
    Ihre Gebete berührten eine Präsenz, wurden vom nahen Atem eines Unsterblichen gewärmt. Und sie erbat inständig etwas von dieser Macht. Sie lästerte. Stellte Forderungen. Bestand auf Erklärungen, auf Antworten.
    Und er nahm all ihre Wut in seine Umarmung, wie er es mit allem anderen tat. Und das war falsch .
    Eigentlich war »umnachtet« ein Wort, das abschätzig verwendet wurde, um eine Art hartnäckiger Unwissenheit zu beschreiben. Doch in diesem Fall hatte das Wort noch eine zweite Bedeutung, eine, die sich ausschließlich auf Schwarz-Korall und Domänenser selbst bezog und damit auch eine war, mit der ihm Respekt bekundet wurde. Schließlich lebte er in der Nacht , wo Dunkelheit nicht Unwissenheit war, sondern tiefe Weisheit, uraltes Wissen, ein Symbol für die ersten Anfänge des Daseins, den ersten Schoß, aus dem alles andere geboren worden war. Er lebte dann also in der Nacht, und einige Zeit lang hatte er täglich Wallfahrten zum Grabhügel mit seinen verbotenen Reichtümern unternommen, eine Ein-Mann-Prozession der Wiedergeburt, die Salind erst jetzt richtig verstand.
    Domänenser war in Wirklickeit der am wenigsten Unwissende von ihnen allen. Hatte er Itkovian gekannt, als er noch gelebt hatte? Sie glaubte nicht. In der Tat wäre es wohl unmöglich gewesen. Und daher war das, was Domänenser zum Kult hingezogen hatte – was auch immer es war –, später gekommen, nach Itkovians Tod, nachdem er aufgestiegen war. Von daher musste es eine persönliche Krise sein, eine Not, die er mit täglichen Gebeten zu lindern suchte.
    Aber … warum sich damit befassen? Der Erlöser wies niemanden ab. Segen und Vergebung waren eine Gewissheit. Das Feilschen war vorgetäuscht. Domänenser hätte seine Wallfahrt nur einmal machen müssen, und er hätte es hinter sich gehabt.
    Hätte sich ihm niemand entgegengestellt, würde er immer noch seine tägliche Wallfahrt machen, wie ein Tier, das den Kopf gegen die Gitterstäbe seines Käfigs schlägt – und dabei nicht bemerkt, dass die Tür auf einer Seite weit offen steht.
    War das wichtig? Domänenser wollte die Umarmung des Erlösers nicht. Nein, die Erlösung, die er suchte, war anderer Natur.
    Not trieb sie aus ihrem Bett im Tempel hinaus in die Nacht . Sie fühlte sich leicht, schwindlig, und jeder Schritt schien beängstigende Mengen an Energie in die harten Pflastersteine unter ihren Füßen abfließen zu lassen. In eine Decke gewickelt und ohne die Menschen wahrzunehmen, an denen sie vorbeikam, ging sie durch die Stadt.
    Der Grabhügel an sich, der Schatz, den niemand berühren konnte, verfügte bereits über Bedeutung. Die Weigerung Domänensers, den leichten Weg zu beschreiten, hatte Bedeutung. Seine Gebete, die entweder um etwas baten, das der Erlöser nicht gewähren konnte, oder um überhaupt nichts. Vielleicht lag ein Geheimnis in der eigentlichen Umarmung des Erlösers, etwas Verborgenes, möglicherweise sogar Täuschendes. Er nahm Verbrechen und Fehler in sich auf und hielt sie alle in der Schwebe … bis wann? Bis zum Tod der Erlösten? Was dann? Wartete auf jede Seele eine verborgene Abrechnung?
    Wie viel Verzweiflung verbarg sich in all den Gebeten, die gesprochen wurden? Die Hoffnung auf einen Segen, auf Frieden, auf die Einsicht, dass etwas, das größer als man selbst war, das unglückliche Selbst anerkennen und vielleicht wirklich die ganze Realität ändern würde, damit sie zu den Wünschen des Selbst passte. Waren Gebete nichts weiter als Versuche zu feilschen? Eine armselige Aussage über irgendeine Art von Gegenseitigkeit?
    Nun, sie würde nicht feilschen. Nein, sie hatte Fragen, und sie wollte Antworten. Sie verlangte Antworten. Wenn der Glaube, der einem Gott gegeben wurde, von nichts weiter als selbstsüchtigen Wünschen herrührte, dann war das nicht weniger schäbig als niederträchtige Habgier. Wenn mit der Aushändigung der eigenen Seele an einen Gott in Wirklichkeit die Aufgabe des eigenen Willens gemeint war, dann war jene Seele wertlos, ein williger Sklave, für den Freiheit und die damit verbundene Verantwortung ein Gift war.
    Sie stellte fest, dass sie durchs Tor taumelte und weiter auf der Straße, die Domänenser einst Tag um Tag entlanggeschritten war. Es hatte zu

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