Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
Elixier schwemmte die Krankheit weg. Keine Salbe löschte die Narben aus. Die einzige Möglichkeit zur Schlichtung bestand darin, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, dafür zu sorgen, dass sie sich der Gerechtigkeit stellen mussten. Aber öfter als nicht zeigte die Geschichte, dass es solch ein Zur-Rechenschaft-Ziehen nur selten gab. Und so heilen die Wunden des Veteranen niemals, verblassen die Narben nie, lässt die Wut niemals nach.
Zu dieser Überzeugung war Domänenser gekommen, und er wusste sehr gut, dass das, was er hier mit der Waffe in der Hand tat, in keiner Weise dazu beitrug, den Konflikt in seinem Innern zu lösen. Denn er war genauso fehlerhaft wie alle anderen, und ganz egal, wie weißglühend sein Zorn, seine rechtschaffene Wut auch sein mochten, er konnte keine reine, unbefleckte Gerechtigkeit ausüben – denn so etwas war etwas Gemeinsames, ein wesentlicher Bestandteil der Identität eines Volkes. So etwas musste eine Handlung der Gesellschaft sein, der Zivilisation. Nicht der Gesellschaft der Tiste Andii – die werden ganz eindeutig diese Bürde nicht auf sich nehmen, werden nicht einwilligen, andere im Auftrag von uns Menschen zu bestrafen, und man sollte es auch nicht von ihnen erwarten. Und daher … bin ich hier, und ich höre den Erlöser weinen.
Man kann nicht im Namen der Gerechtigkeit morden.
Es war unvereinbar. Das, was er gewesen war, und das, was er jetzt war. Die Dinge, die er damals getan hatte, und alles, was er jetzt, in diesem Moment, hier tat.
Der Möchtegern-Usurpator kniete neben ihm, in bitterer Symbolik kopflos. Aber es war ein kompliziertes, schmutziges Symbol. Und er konnte für sich nur eine einzige Wahrheit in alledem finden.
Köpfe rollen bergab.
Es mag sein, dass Menschen im Glauben an die Möglichkeit der Erlösung willentlich das Falsche tun. Erlösung wartet auf sie wie eine Seitentür in dem wie auch immer gearteten Gerichtssaal, in dem wir uns letztlich befinden. Es wird noch nicht einmal gefordert, eine Geldbuße zu bezahlen, sondern es gibt einfach nur eine bedeutungslose Verhandlung, die einen von jeglicher Verantwortlichkeit freispricht. Ein Händeschütteln, und dann geht man – durch besagte Seitentür – davon, während der Richter gütig zusieht. Und ist damit jeglicher Schuld und allen Konsequenzen fein ausgewichen.
Oh, Salind hatte in der Tat eine Krise. Sie hatte alle Argumente abgeschwächt, bis selbst die Vorstellung von Erlösung offen in Frage gestellt wurde. Der Erlöser umarmte alle, nahm alles in sich auf. Er erteilte bedingungslose Absolution, als wenn sie ohne Wert wäre, wertlos, während die Belohnung für jene, die umarmt wurden, ein Geschenk war, größer als der Schatz eines Tyrannen.
Wo lag die Gerechtigkeit in alledem? Wo war die Bestrafung für begangene Verbrechen, die Vergeltung für verordnete Verfehlungen? In dem Ganzen gibt es keinen moralischen Kompass. Man braucht keinen, denn alle Wege führen zum gleichen Ort, wo ein Segen erteilt wird und keine Fragen gestellt werden.
Der Kult des Erlösers … ist eine Abscheulichkeit.
Sie hatte angefangen zu verstehen, wie Priesterschaften entstanden, und dass abgesegnete Formen, Regeln und Verbote notwendig waren – ein moralischer Filter, der durch die akzeptierten Vorstellungen von Gerechtigkeit bestimmt wurde. Und dennoch konnte sie auch sehen, wie ungemein gefährlich eine solche Institution werden konnte – als Schiedsrichter der Moral, als diejenigen, die besagte Gerechtigkeit umsetzten. Gesichter, die verschleiert waren wie die von Geiern, bewachen die Tür zum Gerichtshof und entscheiden darüber, wer hineindarf und wer nicht. Wie lange wird es dauern, bis der erste Beutel voller Silber den Besitzer wechselt? Wie lange, bis der erste verwerfliche Verbrecher sich den Weg in die Arme des blinden, keine Fragen stellenden Erlösers kauft?
Sie konnte eine solche Kirche erschaffen, konnte den Kult zu einer formellen Religion machen, und sie konnte ihr einen strengen, unerschütterlichen Sinn für Gerechtigkeit auferlegen. Doch was war mit den Priestern und Priesterinnen der nächsten Generation? Und mit denen danach, und danach? Wie lange würde es dauern, bis die harten Regeln diese Kirche zu einer selbstgerechten, Macht ausübenden Tyrannei machten? Wie lange, bis Bestechlichkeit aufkam, wenn das verborgene Herz der Religion in der schlichten Tatsache besteht, dass der Erlöser jeden umarmt, der vor ihn tritt ? Eine Tatsache, die buchstäblich die Garantie
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