Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
fiebrigen Augen zu verbergen. Betaklitentrupps formierten sich außerhalb der Stadt, bereiteten sich darauf vor, gen Norden anzugreifen. Scalandiplänkler und Tenescowri – die hungernde Menge, verzweifelt wie gebleckte Zähne. Er erinnerte sich an ihre gewaltige Masse, die sich wogend und wallend und in Teilen mal langsamer, mal schneller über die Ebene bewegt hatte, erinnerte sich daran, wie jede Woge Körper zurückgelassen hatte – die Schwächsten, die Sterbenden – und wie sich Wirbel um sie bildeten, wenn jene, die am nächsten waren, herumschwenkten, um über ihre unglücklichen Kameraden herzufallen.
Wenn niemand anderes da war, aß die Armee sich selbst. Und er hatte einfach zugesehen, ausdruckslos, in seine Rüstung gehüllt, und hatte Eisen, Leder, Schweiß und Blut gerochen.
Soldaten, die in einem gerechten Krieg gekämpft hatten – oder zumindest in einem Krieg, den sie als gerecht betrachten konnten –, konnten sich eine gewisse Art von Stolz bewahren, und alle Opfer waren es wert gewesen, gebracht worden zu sein. Derart gestärkt, konnten sie es hinter sich lassen, ein neues Leben finden, ein anderes Leben. Und ganz egal, wie grotesk die Ungerechtigkeiten der Welt um sie herum waren – auch die der Welt der Gegenwart –, ein solcher Veteran konnte sich immer an der Unantastbarkeit dessen, was er oder sie durchlebt hatte, festhalten.
Aber einen ungerechten Krieg zu kämpfen … das war anders. Wenn man überhaupt so etwas wie ein Gewissen hatte, gab es kein Entrinnen vor den begangenen Verbrechen, dem Blut an den Händen, dem schieren Wahnsinn jener Zeit – als Ehre eine Lüge war, Pflicht eine Waffe, die zum Schweigen brachte, und Mut an sich besudelt und faulig. Und dann gab es plötzlich keine Verteidigung gegen Ungerechtigkeit mehr, keine Zuflucht, die in den Erinnerungen an eine rechtschaffene Zeit gefunden werden konnte. Und so brodelte Groll nach oben, füllte jede Spalte, steigerte sich zur Raserei. Es gab keine Möglichkeit, ihm eine Stimme zu geben, kein Mittel, ihn freizulassen, und so stieg der Druck an. Wenn er schließlich überwältigend wurde, schien Selbstmord die einfachste Option, der einzig wahre Ausweg.
Domänenser konnte die Logik dieser Gedankengänge erkennen, aber Logik allein reichte nicht. Jeder konnte sich selbst in eine Ecke denken und so das Aufgeben rechtfertigen. Es war sogar leicher, wenn der Mut selbst für Missbrauch und schäbigen Spott anfällig war. Denn letztlich verlangte es Mut weiterzumachen, weiterzuleben, und das war nur möglich, wenn die Tugend achtenswert blieb.
Domänenser hob den Kopf und warf dem Enthaupteten einen finsteren Blick zu. »Verstehst du irgendwas davon, Harak? Begreifst du jetzt endlich, wie schon allein die Existenz von Leuten wie dir mir einen Grund gibt, am Leben zu bleiben? Weil du meiner Wut ein Gesicht verleihst und mein Schwert, nun ja, nach Gesichtern hungert.« Entweder das oder die Wut in seinem Innern würde seine eigene Seele verschlingen. Nein, besser dabei bleiben, dass die Gesichter, die er zerschlug, jemand anderem gehörten und nicht ihm selbst. Such sie weiter, einen nach dem anderen. Gerechtigkeit war so schwach. Die Verdorbenen gewannen, die mit reinen Herzen scheiterten und blieben auf der Strecke. Bestechung und Gier brüsteten sich triumphierend über Verantwortung und Mitgefühl. Dagegen konnte er kämpfen, und diesen Kampf musste er noch nicht einmal in seinem eigenen Namen ausfechten. Er konnte für Schwarz-Korall kämpfen, für die Tiste Andii, für die Menschlichkeit an sich.
Sogar für den Erlöser – nein, das kann nicht sein. Was ich hier tue, kann niemals geheilt werden – für mich kann es keine Erlösung geben. Niemals. Du musst das sehen. Ihr alle müsst das sehen.
Ihm wurde klar, dass er betete – zu wem? Er wusste es nicht. Wir wurden in eine unmögliche Situation gebracht, und zumindest für uns ist der Tyrann, der verantwortlich ist, tot – er ist bestraft worden. Es hätte schlimmer sein können – er hätte der Wiedergutmachung entkommen können, der Gerechtigkeit entkommen können.
Im Krieg lag Trauma. Manche Menschen überlebten es; andere waren für immer darin gefangen. Für viele von ihnen war dieser Umstand kein eigener Misserfolg. Und keine Form von Krankheit oder Wahnsinn. Es war in Wahrheit die Folge der Unfähigkeit einer zutiefst moralischen Person, die Konflikte in ihrer eigenen Seele zu schlichten. Kein Heiler konnte das heilen, denn da gab es nichts zu heilen. Kein
Weitere Kostenlose Bücher