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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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legte den Kopf leicht schief, als hätte seine Frage sie überrascht, und lächelte dann. »Stellt diese Frage Eurem Freund, Spinnock Durav. Wenn das Spiel vorüber und Euer Lord wieder einmal siegreich war, und Ihr nach neuem Bier ruft, und Ihr beiden – die Ihr Euch viel ähnlicher seid, als Ihr Euch vorstellen könnt – trinkt und Euch in der Gesellschaft des jeweils anderen entspannt.«
    »Dein Wissen erschreckt mich.«
    »Der Erlöser hat keine Angst vor dem Dunkel.«
    Spinnock zuckte zusammen, seine Augen weiteten sich. »Den Kummer der T’lan Imass in sich aufzunehmen ist eine Sache, Priesterin. Aber den der Tiste Andii … nein, es mag sein, dass der Erlöser keine Furcht hat, aber es wäre besser, wenn seine Seele erwacht und weise wird. Mach dies in deinen Gebeten deutlich, Priesterin. Die Tiste Andii sind nicht für den Erlöser bestimmt. Gott oder nicht, eine solche Umarmung wird ihn zerstören. Und zwar ganz und gar.« Und beim Atem der Mutter, sie würde uns alle ebenfalls zerstören.
    »Domänenser wartet auf Euch«, sagte sie, »und er wundert sich, da Ihr sonst immer pünktlich seid.«
    Spinnock Durav zögerte und nickte dann. Er hoffte, dass der Gott dieser Frau über mehr Weisheit verfügte als sie; er hoffte außerdem, dass die Macht der Gebete den Erlöser nicht zu dem schlecht durchdachten Wunsch verbiegen konnte, zu viel zu wollen, und etwas zu versuchen, das ihn nur zerstören konnte – und all das im inbrünstigen Fieber überschwänglicher Großzügigkeit, die unter neuen Gläubigen so weit verbreitet war.
    »Priesterin, was deine Behauptung angeht, dass der Große Grabhügel außerhalb der Verantwortlichkeit meines Lords liegt, so irrst du dich. Wenn die Pilger in Not sind, wird der Sohn der Dunkelheit reagieren …«
    »Und dadurch Anspruch auf etwas erheben, was nicht sein ist.«
    »Du kennst Anomander Rake nicht.«
    »Wir brauchen nichts von Eurem Lord.«
    »Dann kann ich vielleicht helfen.«
    »Nein. Geht jetzt, Tiste Andii.«
    Nun denn, er hatte es versucht, oder etwa nicht? Er erwartete auch nicht, in dieser Hinsicht bei Domänenser voranzukommen. Vielleicht war etwas Extremeres erforderlich. Nein, Domänenser ist ein in sich gekehrter Mann. Lass ihn in Ruhe. Bleib wachsam, ja, wie es jeder Freund sein würde. Und warte.
    Wäre der einsame Mann, der die Graslande von Nord-Lamatath durchquerte, von der nächstgelegenen Küste aus losgegangen, er wäre durch dreihundert Meilen unbesiedelter Prärie gereist. Nirgendwo ließ sich etwas zu essen finden, so dass ihm nichts anderes blieb, als das seltene Wild zu jagen, das bekanntermaßen sehr leichtfüßig war. Er war hager, aber andererseits war er schon immer hager gewesen. Seine dünnen grauen Haare waren ungekämmt und flatterten hinter ihm her. Sein Bart war verfilzt und dreckverkrustet. Seine eisblauen Augen waren so wild, dass sie auch irgendeinem Tier der Ebene hätten gehören können.
    Ein langes Kettenhemd rasselte, schlenkerte bei jedem Schritt um seine Schienbeine. Der Schatten, den er warf, war so schmal wie ein Schwert.
    Am wolkenlosen Himmel kreisten Geier oder Raben oder beides – so hoch, dass sie nichts weiter als Punkte waren, doch sie folgten der einsamen Gestalt weit unter ihnen. Oder vielleicht kreisten sie auch nur in der blauen Leere und suchten die Ödflächen nach einer sterbenden, schwächer werdenden Kreatur ab.
    Doch dieser Mann war weder sterbend noch schwach. Er schritt mit der steifen, charakteristischen Zielstrebigkeit der Wahnsinnigen, der geistig Verwirrten voran. Wahnsinn, hätte er angemerkt, gehörte nicht zu der Seele, die mit der Welt verbunden war, mit jedem kleinen Hügel und Grasbüschel, mit den Kämmen alter Strände und ihren Kalksteinbrocken, die durch die dünne, einem Flickenteppich gleichende Schicht aus Flechten und sprödem Moos brachen. Mit dem höhnischen Anflug eines Schattens, der langsam im Kreis um ihn herumwanderte, während die Sonne sich über den Himmel schleppte. Mit dem Geräusch seiner eigenen Atemzüge, die davon zeugten, dass er am Leben war, dass die Welt ihn sich erst noch nehmen musste, ihn herunterziehen und seinem uralten Körper die Wärme stehlen musste. Wahnsinn belästigte nur jene, die unter inneren Qualen litten, und Kallor, der Hochkönig und höchste Imperator eines Dutzends schrecklicher Imperien, war in seinem tiefsten Innern ein Mann, der mit sich im Reinen war.
    Für den Augenblick. Aber was spielte denn darüberhinaus eine Rolle? Über diesen

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