Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
einzelnen Augenblick hinaus, der kopfüber in den nächsten purzelte, immer und immer wieder aufs Neue, so fest und wahr wie jeder Schritt, den er machte, bei dem er die Erschütterungen des warmen Bodens durch die abgetretenen Sohlen seiner Stiefel spürte. Was greifbar war, bestätigte die Wirklichkeit; nichts sonst spielte eine Rolle und würde auch niemals eine spielen.
Ein Mann, der mit sich im Reinen war, ja, in der Tat. Und dass er einst das Leben von Hunderttausenden bestimmt hatte, über ihr nutzloses, unbedeutendes Dasein geherrscht hatte; dass er einst mit einer einzigen Geste eine Armee von fünfzehntausend Mann, die sich ergeben hatte, zum Tode verurteilt hatte; dass er auf einem Thron aus Gold, Silber und Onyx gesessen hatte, wie ein Vielfraß bis zum Überdruss mit materiellen Reichtümern vollgestopft, dass sie jegliche Bedeutung, jeglichen Wert verloren hatten … ah, nun ja, alles, was von diesen Zeiten, diesem Ruhm übrig geblieben war, war der Mann selbst, sein Schwert, seine Rüstung und eine Handvoll veralteter Münzen in seiner Börse. Unzählige Arten von Verrat, ein Meer aus Gesichtern, die im Laufe der Jahrhunderte verschwommen und undeutlich geworden waren – nur ihre gierig und neidisch glitzernden Augen, die konnte er noch scharf und deutlich vor sich sehen; die Woge aus Rauch und Feuer und schwachen Schreien, als Imperien in sich zusammenbrachen, eines nach dem anderen; das Chaos brutaler Nächte auf der Flucht aus einem brennenden Palast, auf der Flucht vor einer so großen Flutwelle rachsüchtiger Narren, dass nicht einmal Kallor sie alle töten konnte – so sehr er es auch gewollt hätte, oh ja –, nichts von alledem erweckte bitteren Zorn in seiner Seele. Hier, in diesem Ödland, das niemand wollte, war er ein Mann, der mit sich im Reinen war.
So eine Wahrheit durfte nicht herausgefordert werden, und würde sich jetzt irgendjemand direkt aus der Erde erheben und sich ihm mit so einer Herausforderung in den Weg stellen, nun ja, dann würde er ihn in Stücke hauen. Und dabei die ganze Zeit lächeln, um seine ruhige Haltung zu beweisen.
Was Kallor betraf, war er der Ansicht, dass der Geschichte zu viel Bedeutung beigemessen wurde. Der eigenen Geschichte; und der Geschichte von Völkern, Kulturen und Landschaften. Welchen Wert hatte es, auf Fehler der Vergangenheit, auf Missgeschicke und Achtlosigkeit zu starren und über diese Dinge zu urteilen, wenn die einzige Belohnung, die einem nach der ganzen Anstrengung zuteil wurde, Bedauern war? Pah! Bedauern war die Zuflucht der Narren, und Kallor war kein Narr. Er hatte schließlich alle seine Träume ausgelebt, hatte jeden einzelnen von ihnen ausgelebt, bis sämtliche Farben verblasst waren und nichts als das ausgebleichte, glanzlose Wissen übrig geblieben war, dass es nicht viel im Leben gab, das die Anstrengungen, es zu erlangen, tatsächlich wert war. Dass die Belohnungen sich als flüchtig erwiesen, ja, sogar als wertlos.
Alle Imperatoren – in sämtlichen Sphären und über alle Zeiten hinweg – stellten binnen kurzem fest, dass der stolze Titel und all seine Macht ihnen ein Dasein ohne jeden Humor bescherte. Selbst Exzesse und Schwelgereien wurden letztlich schal. Und die Gesichter der Sterbenden, der Gefolterten, nun ja, die waren alle gleich, und keine einzige dieser verzerrten Mienen gewährte auch nur den Schimmer einer Offenbarung, die Entdeckung irgendeines tiefgründigen, mit dem letzten Atemzug verbundenen Geheimnisses, das eine Antwort auf all die großen Fragen gab. Nein, jedes Gesicht zog sich einfach nur in sich selbst zurück, schrumpfte zusammen und schreckte zurück, während die Agonie an ihm zerrte und es dehnte, und was auch immer die aus den Höhlen tretenden Augen in jenem letzten Moment sahen, war, wie Kallor mittlerweile begriffen hatte, furchtbar … banal.
Nun, das war ein Feind – Banalität. Die Domäne der Einfältigen, der stolze Turm der Dummen. Man brauchte kein Imperator zu sein, um das beobachten zu können – sieh dir nur die Gesichter der Menschen an, die um eine umgestürzte Kutsche herumgehen, wie ihre Augen glänzen, wenn sie sich verrenken und recken, um einen kurzen Blick auf ein bisschen Blut oder gebrochene Glieder zu erhaschen und irgendeine sinnlose Tragödie zu genießen, die ihr trübes Tintenfass von Leben aufwertet. Betrachte also, ja, diese Geier des Kummers, und dann sprich von der edlen Menschheit, die ach so weise und so rechtschaffen ist.
Unsichtbar für die Raben oder
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