Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
erst, wenn ich Algernon gefunden habe.«
Lucas wies nach Westen. »Er liegt da vorn. Du kannst ihn kaum verfehlen, eine abgebrochene Lanze ragt aus seiner Brust.« Sein Tonfall war sarkastisch, aber in seinen Augen standen Tränen.
Julian senkte den Kopf und bekreuzigte sich. Dann steckte er das Schwert ein und ging über die zertrampelte Wiese in die Richtung, die Lucas ihm gewiesen hatte. Seine beiden Ritter folgten ihm mit den Pferden.
Algernon lag auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet wie ein Gekreuzigter. Der unablässige Regen fiel in seine Augen,die blicklos in den grauen Himmel starrten. Er hatte eine blutige Schramme auf der Wange, seine Rüstung war zerbeult, und der Kopf der Lanze hatte den Brustpanzer durchstoßen.
Julian kniete sich neben seinen Ritter in den Schlamm, strich ihm mit der Rechten über die Augen und schloss ihm die Lider. Dann beugte er sich über ihn und küsste ihm die Stirn. »Ruh in Frieden, Cousin.«
Er betete einen Moment, drückte dann das Knie auf den zerbeulten Brustpanzer, packte den abgebrochenen Schaft der Lanze und zog. Er musste seine ganze Kraft aufbieten, und er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er die Ruhe des Toten so rüde störte, aber er wollte nicht, dass Algernon mit der Klinge in der Brust nach Hause zurückkehrte. Als Lucas und Frederic ihm zu Hilfe kamen und den Toten an den Schultern festhielten, ging es leichter. Mit einem letzten Ruck zog Julian die abgebrochene Waffe aus der Rüstung und schleuderte sie von sich. »Hat einer von euch zufällig gesehen, wer es getan hat?«, fragte er seine Ritter.
»Julian, das hier war eine Schlacht«, rief Lucas ihm in Erinnerung. »Du kannst keinen Mann dafür verantwortlich machen, was …«
»Hast du’s gesehen?«, unterbrach Julian.
Lucas sah ihm einen Moment in die Augen und nickte dann. »Yorks Welpe.«
Edward of March, der mir einmal das Leben gerettet hat, fuhr es Julian durch den Kopf. Er faltete dem toten Ritter die Hände auf der Brust. Frederic hatte Algernons Schwert gefunden und steckte es in die Scheide.
Julian stand auf und sah sich suchend nach etwas um, woraus sie eine Trage machen konnten, als der Duke of Somerset mit einer Schar Männer auf ihn zugeprescht kam. »Julian! Warwick und March haben den König. Ich weiß nicht, wie, aber er ist ihnen in die Hände gefallen. Ich reite ihnen nach. Du musst die Königin in Sicherheit bringen!« Und damit war er fort.
»Er hat Recht, Julian«, drängte Lucas. »Reite zu ihr. Ich kümmere mich um Algernon.«
»Ich muss ihn nach Burton bringen«, protestierte Julian. »Das ist wohl das Mindeste, was ich ihm schuldig bin.«
Frederic und Lucas schüttelten die Köpfe, und Letzterer sagte: »Wenn du ihm eine letzte Ehre erweisen willst, dann sieh zu, dass nicht alles verloren geht, wofür er gestorben ist.«
Julian zauderte noch einen Augenblick, aber dann sah er die Yorkisten in kleinen Gruppen auf das königliche Zeltlager zustreben, und er wusste, er durfte keine Zeit mehr verlieren. »Gottverflucht … ihr habt Recht«, antwortete er und schwang sich wieder in den Sattel.
Er hielt auf die kleine Schar Feinde zu, die dem königlichen Pavillon am nächsten war, um ihr den Weg abzuschneiden. Die Reiter waren so auf ihr Ziel konzentriert, dass sie ihn nicht kommen sahen, und Julian zog das Schwert wieder und hieb dem vorderen der Yorkisten den Kopf ab, ohne dass Dädalus sein Tempo merklich verlangsamte. Das war ein gewagtes Manöver, und die meisten, die es je versucht hatten, landeten entwaffnet und mit gebrochenen Knochen am Boden. »Es geht einfach nichts über eine wirklich gute Klinge und einen Gaul wie dich«, raunte Julian Dädalus zu und riskierte einen Blick über die Schulter. Der kopflose Yorkist war erwartungsgemäß vom Pferd gestürzt. Drei weitere Tiere hatten gescheut und ihre Reiter abgeworfen, aber zwei saßen noch im Sattel, drohten ihm wütend mit den Fäusten und preschten ihm nach.
Julian lenkte Dädalus hinter das Zelt der Königin. Er fand Marguerite dort mutterseelenallein, und sie war dabei, einem sehr nervösen Pferd einen Sattel aufzulegen.
Er hielt an und streckte ihr die Rechte entgegen. »Schnell.«
Ohne zu zögern, nahm sie seine Hand, stellte den Fuß auf den seinen im Steigbügel und glitt hinter ihn. »Aber sie werden uns einholen, wenn dein Pferd zwei Reiter trägt.«
»Das werden wir ja sehen«, erwiderte er. Er galoppierte aus dem Stand an, und Marguerite legte hastig die Arme um seine Taille und
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