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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nervöses Lächeln, das aussah, als könne er ebenso gut im nächsten Moment in Tränen ausbrechen.
    »Ich h-h-h-höre was ...«
    »Was?«
    »Ein K-k-knurren ... heilige Maria Mutter Gottes.« Fleckige Finger schlugen ein rasches Kreuzzeichen und verschwanden dann zwischen knabbernden Zähnen.
    »Vielleicht nimmt er gerade ein zweites Morgenmahl«, brummte der Bäcker, aber es war nicht wirklich witzig.
    »Brecht die Tür auf«, sagte ich. Und da waren wir nun.
    Ich stand auf und horchte selbst an der Tür. Was immer der Schreiber gehört hatte, es war verstummt. Etwas steckte von innen im Schloss und verwehrte mir einen Blick hindurch – der Schlüssel.
    »Von innen abgesperrt«, brummte ich.
    »H-h-heilige Maria ...«
    Ich rief Stinglhammers Namen und schlug gegen die Tür, und da war es wieder. Ich zuckte zusammen. Es hatte sich so böse angehört, als hätte jemand versucht, ein ausgehungertes Tier von seiner Beute zu verscheuchen.
    »Haben Sie es gehört?«, stieß der Begleiter des blöden Knaben atemlos hervor. »Was war das?«
    »H-h-heilige Maria Mutter Gottes.« Fingerknabbern, Kreuzzeichen, Fingerknabbern. Die Lippen des Schreibers färbten sich allmählich schwarz, wo sein Speichel die Tinte auflöste.
    Ich holte aus und schlug so fest ich konnte gegen die Tür. Sie rumpelte heftig im Schloss. Und was sich auch in Stinglhammers Stube aufhielt, es antwortete mit einem schrillen Fauchen. Ich fuhr von der Tür zurück.
    »Das ist kein Mensch«, flüsterte der Bäcker und beeilte sich, ebenfalls das Kreuz zu schlagen. Der Begleiter des Knaben ballte die Fäuste.
    Ich winkte die Schreiber zu mir, hielt mich an ihren Oberarmen fest und spannte mein rechtes Bein. Ich holte tief Atem, dann trat ich gegen das Schloss.
    Die Tür flog mit einem Splittern auf, das man sicher bis auf die Gasse hören konnte. Ich taumelte zur Seite. Die Tür knallte an die Wand und schlug wieder zurück; dann rutschte sie aus der oberen Angel und schwang sanft und langsam wieder auf, bis sie mit einem leisen Klopfen gegen die Wand stieß und ihre Bewegung stoppte. Der Schlüssel, der meine Attacke überstanden hatte, fiel jetzt mit einem Klimpern auf den Holzboden, das lauter in meinen Ohren klang als das Aufbrechen der Tür.
    Der Bäcker spähte mir über die Schulter. Stinglhammers Arbeitsstube war klein, eine Kammer, in der ein verschrammter Tisch und ein Stuhl Platz fanden. Sie hatte nur ein winziges Fenster – nicht größer als die Öffnung eines Taubenschlags –, das mit einem Öltuchrahmen verstellt war. Eine Tranfunzel auf dem Tisch war heruntergebrannt, eine weitere, die von einer Kette an der Decke hing, ausgekippt. Der Fußboden war voller Ruß. Der Duft nach frischem Brot, den der Bäcker verströmte, konnte nicht gegen den Geruch an, der aus der unbelüfteten Arbeitsstube drang.
    Stinglhammer saß in dem Stuhl, der eher ein verkratzter, alter, mit Leder bezogener Thron war. Er war jenseits aller Hilfe. Auf seiner Schulter saß ein schlankes, dunkles Ding, dasuns mit funkelnden Augen und weit aufgerissenem Rachen entgegenfauchte. Ich sog den Geruch ein, der mir aus der Arbeitsstube entgegenschlug, und spürte, wie mir schwindlig wurde. Hinter mir hörte ich ein Stoßgebet flüstern. Das schwarze Ding auf Stinglhammers Schulter neigte seinen Schlangenkopf.
    »Das ist ja bloß ein verdammtes Frettchen«, sagte der Bäcker. »Kein Grund zur Panik.« Seine Bemerkung war ebenso fehl am Platz wie die vorherige.
    Das Frettchen trank Stinglhammers Blut.
    Der schwachsinnige Knabe stieß ein gutturales, sinnloses Lachen aus.
    Der stotternde Schreiber ließ die Finger aus seinem Mund fallen. »Jemand muss die W-w-wache holen«, sagte er, dann beugte er sich nach vorn und übergab sich.

2.
    Die Wachen bewegten sich mit der Grobheit von Männern, die in ihrer Arbeit geübt sind; schon von daher konnten sie keine Ratsbüttel sein. Sie trugen das Rot des Bischofs und kurze, neu wirkende Spieße, mit denen sie uns – so ruppig, wie es offenbar sein musste – zu den Pulten der Schreiber drängten. Sie waren fünf; die übliche Anzahl für Patrouillengänge. Mit ihnen kam der ranzige Geruch von Kleidung herein, in der zu lange gestanden, gelaufen, gegessen und geschlafen worden ist. Ich fand die Anzahl, in der sie auftraten, übertrieben, bis ich einen längeren Blick in die Augen warf, die im Schatten ihrer Eisenhüte funkelten, und die nervöse Spannung darin sah. Auch die Wachen hörten den dumpfen Trommelschlag der Angst. Ihr

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