Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Anführer baute sich vor der Tür zu Stinglhammers Stube auf, die anderen stellten sich in einem lockeren Kordon um uns herum. Der Truppführer berührte mit der Stiefelspitze den frischen Fleck auf dem Boden, der das gewesene Morgenmahl des stotternden Schreibers darstellte, und warf uns einen verächtlichen Blick zu. Dann trat er in die Tür und spähte in die Stube. Wir hörten das Frettchen, das sein Revier fauchend verteidigte, und ich sah eine gewisse Genugtuung auf dem Gesicht des Stotterers, als der Truppführer zurückzuckte.
»Was ist das für ein Vieh?«, rief er ärgerlich.
»Das ist ein F-f-f-f... das gehört H-h-h-h... wir hörten es t-t-t-t...«
»Das ist Stinglhammers Frettchen«, sagte ich. »Der Bau hier ist wahrscheinlich von Mäusen verseucht. In der Ecke, beim Kamin, steht sein Käfig.«
»Was mischen Sie sich hier ein?«
»Der Käfig ist offen.«
»Wer zum Teufel sind Sie überhaupt?«
»Ein Durchreisender.«
»Dann halten Sie den Mund, wenn Sie nicht gefragt werden.«
Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, mich nicht zu ärgern. Der Truppführer betrachtete mich aufgebracht und trat dann von der Tür zurück. Er hatte den Fuß nicht über die Schwelle gesetzt. Anscheinend erwartete er jemand Höherstehenden, dem der erste Schritt gebührte; und er war sicher nicht unglücklich darüber, dass er die Kammer mit dem Toten darin nicht als Erster betreten musste.
»Was für eine Sauerei ist hier passiert?«, fuhr er die Schreiber an.
Der Stotterer mühte sich ab, das Wenige zu erklären, das ihm klar war: die verschlossene Stube, der nicht auffindbare Stinglhammer, die aufgebrochene Tür. Der Wachführer blickte in meine Richtung, aber ich beachtete ihn nicht. Der Begleiter des schwachsinnigen Jungen starrte den Bäcker an.
»Was haben Sie gesagt?«, flüsterte er.
»Der Todesengel«, grollte der Bäcker. »Er geht wieder um.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte ich.
»Ulrich Schwarz am Galgen, das war nicht genug. Er geht wieder um und erschlägt die Sünder.«
»Was war mit Ulrich Schwarz?«
»Er war der Bürgermeister. Er ...«
»Ruhe«, befahl der Truppführer. »Sonst verstehe ich noch weniger von dem, was dieser Idiot stammelt.«
Der stotternde Schreiber verstummte betroffen. Sein Gesicht färbte sich puterrot, und sein Adamsapfel hüpfte. Der Bäcker sah zu Boden, ohne zu verbergen, dass er den Wachführer nicht für voll nahm. Nach einem Moment des Zögerns zupfte er aus einem der Brotringe ein daumengroßes Stück und steckte es in den Mund, während er einen raschen Blick zur offen stehenden Tür von Stinglhammers Stube warf. Er zuckte mit den Schultern und rupfte ein weiteres Stück heraus. Sein Unterkiefer bewegte sich methodisch, und er nickte leicht: Das Backwerkwar gelungen. Der schwachsinnige Knabe betrachtete ihn wie ein Hündchen, das seinem Herrn zusieht, wie er einen Knochen abnagt; er wischte sich mit dem Handrücken über das Kinn und hinterließ einen glänzenden Spuckefleck.
Der Wachführer starrte den stotternden Schreiber an, während dieser sich durch eine chronologischere Darstellung der wenigen Ereignisse dieses Morgens mühte und stockend auf den Höhepunkt zusteuerte, nämlich die Entdeckung von Stinglhammers Leichnam. Dass der Wachführer ihn fixierte, als halte er ihn für den Täter, beeinflusste die Redegewandtheit des Schreibers nicht gerade positiv. Der Bäcker kaute, der Schwachsinnige schluckte und ließ seinen Magen knurren, der Begleiter des Knaben sah so grün aus, als habe er den Leibhaftigen erblickt, und nebenan hockte die schlangenhafte Gestalt des Frettchens auf der Schulter seines Herrn und leckte das Blut, das diesem aus Nase und Mund gelaufen war.
»Jemand sollte das Vieh wieder in seinen Käfig sperren«, brummte der Bäcker mit vollen Backen, als habe er meine Gedanken gelesen.
Einer der Wachen nahm plötzlich Haltung an und schlug seinem Anführer gegen den Oberarm. In der Eingangstür zur Schreibstube stand ein hoch gewachsener, hohlwangiger Mann, der sich mit schmalen Augen orientierte und seinen Blick dann auf die offene Tür zu Stinglhammers Stube heftete. Der Wachführer hieß den Schreiber zu schweigen und eilte zu dem Neuankömmling hinüber. Er setzte ihn mit ein paar hastigen, leisen Worten ins Bild. Der Mann nickte, ohne den Wachführer anzusehen. In seinem Gesicht fielen vor allem die hellen, von dunklen Wimpern umrahmten Augen auf, die zu brennen schienen, wenn er etwas genauer in Augenschein nahm, und die
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