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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Brotring her. Wenn er die Ringe tatsächlich Stinglhammer hatte zeigen wollen, war ihm mittlerweile zu Bewusstsein gekommen, dass dieser garantiert keine Beurteilung mehr dazu abgeben würde. Sein vollmundiges Kauen sollte gelassen wirken, doch schien es eher seiner eigenen Beruhigung zu dienen.
    Der Burggraf wischte mit dem Stiefel über die Rußspuren auf dem Boden und verzog das Gesicht. Sein Blick fiel auf das kleine Fenster.
    »War das geschlossen?«
    Der Wachführer drehte sich um, und der stotternde Schreiber nickte unglücklich. »Und die Tür?«
    »Wurde aufgebrochen, questor.« Ein Daumen deutete auf mich, ohne dass der Burggraf aufgesehen hätte. »Der Schlüssel liegt noch dort auf dem Boden.«
    Der Burggraf stemmte die Arme in die Hüften und sah sich in der Kammer um. Plötzlich zeigte er auf das Frettchen, das ihn feindselig anbleckte, und brüllte: »Schafft das Vieh hier raus, zum Teufel noch mal! Was für eine Schweinerei! Seid ihr alle blöde geworden?« Er trug dünne lederne Handschuhe und mehrere Ringe an den Fingern, deren Steine im Licht aufblitzten.
    »Wir wollten nichts anfassen, questor. Sie haben letztes Mal gesagt...«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe. Schafft das widerliche Vieh weg, oder muss ich euch Beine machen?«
    Das Frettchen verteidigte seinen Platz mit Fauchen und Zähneschnappen, bis der Wachführer es am Genick packte und mit weit ausgestrecktem Arm aus der Stube trug. Einer der Waibel schlich mit abgewandtem Blick zum Käfig des Tiers und trug ihn hinterher. Sie verstauten das kratzende und beißende Biest darin und atmeten sichtlich auf, als der Riegel zuschnappte. Das Frettchen kauerte sich auf den Boden und funkelte aufgebracht nach draußen. Dann begann es, sich mit den Vorderpfoten undeiner bläulichen Zunge die Lefzen vom Blut seines Herrn zu reinigen. Es zog die Aufmerksamkeit des Schwachsinnigen auf sich, der sich plötzlich in Bewegung setzte und – ein beinahe liebevolles Lächeln auf dem halb offen stehenden Mund – zu dem Frettchen hineinstarrte. Er machte ein paar lockende Geräusche mit der Zunge.
    Der Burggraf betrachtete unterdessen die zusammengesunkene Gestalt des Buchhalters. Er schüttelte den Kopf. »Was ist mit Herrn Georg? Wenn sein Vater nicht da ist, ist er der Hausherr, oder?«
    »Schon benachrichtigt«, meldete der Wachführer. »Was sagt er?«
    »Sie sollen alles Nötige veranlassen; er ist in einem wichtigen Gespräch.«
    »Hat sich die Familie Hoechstetter mit der Stadt überworfen?«, fragte ich leise den Bäcker. Er schüttelte den Kopf. »Warum lässt Georg Hoechstetter dann den Burggrafen hier herumschnüffeln und nicht den Vogt?«
    »Wahrscheinlich eine Frage der Kompetenz«, erklärte der Bäcker mit vollem Mund, und ich wusste nicht, ob es ernst oder sarkastisch gemeint war.
    Der Burggraf hob den Stab und wirbelte ihn mit einer eleganten Drehung herum. Das Ende, das er bisher festgehalten hatte, zeigte nun nach vorn; es lief in einer geschnitzten Faust aus, aus der ein einzelner Finger ragte wie eine Anklage. Das Material der Hand war gelblich-rissig, und einen unguten Moment lang glaubte ich, es handele sich um eine mumifizierte Gliedmaße. Dann erkannte ich, dass die Hand aus Elfenbein war. Sie war hässlich, teuer und wirkte noch beklemmender als der Leichnam, auf den sie sich richtete.
    »Herr Stinglhammer«, murmelte der Burggraf und tat so, als würde er zur Begrüßung nicken, während der speckige elfenbeinerne Totenfinger unentwegt auf den Buchhalter wies, »lassen Sie uns anfangen.«
    Die Faust war die verlängerte Hand des Burggrafen und ihr ausgestreckter Finger sein Untersuchungsinstrument. DerFinger schob sich unter Stinglhammers Kinn und versuchte, den Kopf zu heben; der rigor mortis schien noch nicht eingetreten. Er hakte sich in Stinglhammers Hemd ein und zog es von der Brust weg; glitt über das Kugelbäuchlein des Toten und zu einem Handgelenk an einem schlaff über die Lehne des Stuhls hängenden Arm; probte auch die ebenso schlaff herunterhängende Hand und hielt erstaunt inne, als das tote Gelenk Widerstand leistete; zuckte hinüber zur zweiten Hand, die auf der anderen Seite herabhing, und stieß auf den gleichen Widerstand; und während der Burggraf am anderen Ende seines Stabes befremdet die Brauen runzelte und nachdachte, wurde mir klar, dass die Starre den Toten doch bereits erfasst hatte. Es war nur so, dass sein Genick gebrochen war.
    Der Finger aus Elfenbein ließ von dem Toten ab und tickte überlegend auf

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