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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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schmale, prominente Nase, deren Größe durch die hohlen Wangen unterstrichen wurde und auf deren Rücken ein Höcker saß, der sie hervorspringen ließ wie den Schwibbogen einer Kathedrale. Das Haar lag in einem dünnen Kranz auf seiner hohen Stirn, und als er den Kopf umwandte, sah man die Tonsur eines Klerikers.
    »Der Tote ist dort in der Stube?«, fragte der Neuankömmling.
    »Jawohl, questor.«
    Ich horchte überrascht auf; der Neuankömmling war der Burggraf des Bischofs.
    »Ist es der Buchhalter von Ulrich Hoechstetter?«
    »Sieht danach aus, wenn man das Blut und alles abzieht.« Der Wachführer versuchte ein verächtliches Grinsen, das misslang und zu einer Grimasse gerann, als der Burggraf ihm einen strengen Blick zuwarf. Er räusperte sich verlegen. »Ich habe die Stube nicht betreten, questor« , sagte er.
    »Verdächtige?«
    Der Wachführer wies auf unser kleines Grüpplein, und der Burggraf streifte uns mit einem mehr als oberflächlichen Blick. Der Bäcker schmatzte herausfordernd, doch seine Provokation wurde nicht angenommen. Er schien selbst nicht unfroh darüber zu sein.
    Der Burggraf – Beamter des Bischofs und seit dem Zweiten Augsburger Stadtrecht eine Gestalt, um deren Kompetenzen Stadt und Bischof erbittert stritten, ohne dass dabei mehr herausgekommen wäre als dass die Gewalt des Burggrafen immer weiter abnahm — klopfte sich mit einem massiven hölzernen Stab an die Unterschenkel. Bischof Peter hatte zu Lebzeiten der Stadt mehrfach vorgeworfen, dass deren Vogt seinem Burggrafen das Leben in allen Dingen schwer mache und ihn in seiner Rechtsausübung behindere. Alles, was die Stadt zugestanden hatte, war eine Prüfung der Sachlage gewesen, und Bischof Peter hatte noch ein weiteres schwebendes Verfahren neben all den anderen Händeln, die er gegen den Stadtrat führte, am Hals. Konsequenterweise war ich nie darauf scharf gewesen, die Stelle des Burggrafen zu übernehmen, und Bischof Peter hatte sie mir nie angeboten. Von Rechts wegen wäre ich als Untersuchungsbeamter der Untergebene des Burggrafen gewesen – faktisch erhielt ich meine Befehle von Bischof Peter, der sich mir gegenüber stets wie ein grummelnder, doch wohlmeinender Vater verhalten hatte und der indieser Hinsicht seinen Burggrafen noch auffälliger entmachtete als es die Stadtbehörden schon taten. Wann immer das Amt des Burggrafen neu zu besetzen war (es gab nicht wenige, die es freiwillig aufgaben), ging unter den bischöflichen Beamten der Scherz um, dass der Bischof auf der Suche nach jemandem sei, der ihn in der letzten Zeit nicht ordentlich gegrüßt oder seine Arbeit nicht zur Zufriedenheit erledigt hätte, um ihn in das frei gewordene Amt zu befördern. Ab und zu gab es einen, den der Titel lockte und die damit verbundenen Einnahmen aus den Gewerbeabgaben und den Bußgeldern für falsche Maße, Gewichte und dergleichen. Ich hatte dem Bischof als Schreiber gedient, bevor ich einer seiner direkten Mitarbeiter wurde, daher wusste ich, dass auch diese Geldquelle ständig knapper wurde und der Rat sich im Allgemeinen vor die Sünder stellte, die die Abgaben nicht bezahlen wollten.
    Der amtierende Burggraf setzte sich in Bewegung und strebte mit langen Schritten auf die Kammer des toten Stinglhammer zu, sowohl kraft seiner Amtsbefugnisse als auch aufgrund seines geringen Ansehens in der Stadt vollkommen fehl am Platz. Ich war schon erstaunt gewesen, dass die Schreiber die Waibel des Bischofs alarmiert hatten – dass diese ihren Burggrafen zurate zogen, verblüffte mich noch mehr.
    Die Wachen lockerten den Ring, den sie bildeten, ein wenig, als der Burggraf die Stube betreten hatte. Sie waren selbst neugierig genug, sehen zu wollen, was er darin tat, und so ermöglichten sie auch uns, den Tatort erneut in Augenschein zu nehmen. Die Schreiber blieben, wo sie waren, und der Schwachsinnige folgte uns nur, weil er den Broten am Arm des Bäckers auf der Spur bleiben wollte; der Bäcker, ich und der Begleiter des Knaben spähten jedoch über die Rücken der Wachen hinweg. Ich hatte genügend Menschen gesehen, die gewaltsam zu Tode gekommen waren, als dass ich noch scharf auf einen derartigen Anblick gewesen wäre. Was mich interessierte, war, was der Burggraf des Bischofs tun würde. Der Begleiter des blöden Knaben schien ebenfalls wenig Lust zu haben, die Szene der Gewalt erneut in Augenschein zu nehmen, dochirgendetwas zog ihn mit der Faszination des Grauens dorthin. Der Bäcker machte sich inzwischen über den zweiten

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