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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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das schwarze Haar des Jungen strich.
    Die Tür auf der anderen Seite des Flurs führte in einen langen, kahlen Raum, der sich über die gesamte Länge des Gebäudes zog. Hohe Fenster gaben den Blick auf den Platz frei; es gab weder Vorhänge noch Fensterläden; die Glasscheiben waren nachtschwarz. Gegenüber den Fenstern hingen Bilder an der Wand. Cat fühlte sich wie in einem Museum. Ihre Schritte knarrten auf den polierten Holzdielen. Sie hatte keine Ahnung von Kunst, aber diese Bilder sahen alt aus, Jahrhunderte alt vielleicht, denn die einst kräftigen Farben waren verblasst, und an einigen Stellen war die Oberfläche so von Rissen durchzogen, dass das Bildmotiv verschwamm.
    Das Gemälde, das dem Eingang am nächsten hing, zeigte einen Mann und eine Frau, die nackt inmitten von Blumen standen, hinter sich einen Regenbogen und ein flammendes Schwert. Auf dem nächsten war ein Ritter
in voller Rüstung auf einem weißen Pferd zu sehen, aber wo sein Kopf hätte sein sollen, prangte ein schimmernder Totenschädel. Diese beiden Gemälde und die beiden am anderen Ende des Raums waren etwa einen Meter fünfzig mal zwei Meter groß. Das Bild dazwischen allerdings war viel größer: ein riesiges Rad mit vier Speichen. Fantastisch anmutende Figuren kletterten an dem Rad hinauf oder fielen in die Tiefe. In der Mitte saß eine Frauengestalt. Neben diesem Gemälde hing das Bild eines Engels mit einer Trompete, und das letzte zeigte eine Wüstenlandschaft mit einer verhüllten Gestalt, die ein Stundenglas hielt.
    Cat wandte sich wieder dem Gemälde mit dem Rad zu. Bei genauerer Betrachtung sah sie, dass die Frau in der Mitte die Augen verbunden hatte und ein Banner trug mit einer Inschrift in einer Sprache, die Cat nicht kannte, Latein vielleicht. Ihr Lächeln war dunkel, wissend. Und jetzt sah Cat, dass das Rad selbst mit vielen kleineren Bildern geschmückt war: Da war ein Wagen, gezogen von Sphinxen. Ein flammender Turm. Ein Mann mit einem halben Dutzend Schwertern im Rücken. … Hatte all das mit Tarot zu tun?
    Ein leises Geräusch ließ sie herumfahren. Sie war nicht länger allein. Der junge Mann, der sich selbst König der Schwerter nannte, lehnte mit einer Zigarette in der Hand an der Tür. »Hallo«, sagte er.
    Sie nickte kurz und wandte sich dann wieder dem Gemälde zu. Sie war verlegen. Ihr Kopf schmerzte, und sie hoffte, dass er sie in Ruhe lassen würde. Aber er kam auf
sie zu. Heute war er legerer gekleidet, um nicht zu sagen nachlässig. Er trug ein ausgebleichtes graues T-Shirt und war barfuß. Leise patschten seine nackten Füße auf dem Boden. Er wirkte jünger, als sie ihn in Erinnerung hatte. »Also hast du uns gefunden.«
    »Ja.« Jetzt musste sie wohl sagen, was für eine tolle Party das doch war, wie freundlich, mich einzuladen, bla, bla, bla. Stattdessen runzelte sie die Stirn und versuchte, mit ihren Gedanken das Schwindelgefühl zu durchdringen. »Warum haben Sie mich eingeladen?« Die Frage klang barscher als beabsichtigt, aber er schien sich nichts daraus zu machen, lächelte nur und zog an seiner Zigarette.
    »Warum bist du gekommen?«, antwortete er mit einer Gegenfrage und betrachtete sie durch den Zigarettenrauch mit schläfrigen Augen. Eine kurze Stille entstand. »Ich bin Alastor, wie du dich vielleicht erinnern kannst.«
    »Der König der Schwerter.«
    »Und du bist die Katze, die allein durch die Nacht huscht. «
    Seine Worte rüttelten sie auf. Das sagte Bel immer zu ihr. Es war ein Zitat aus einem alten Kinderbuch, meinte sie, aber sie konnte sich nicht mehr an den Titel erinnern. Hatte Cat sich an jenem Abend überhaupt vorgestellt, oder war es nur ein unheimlicher Zufall, dass er jetzt auf ihren Namen anspielte? Abwehrend zog sie die Schultern hoch und rückte ein wenig von ihm ab, bis sie unter dem Bild des Ritters mit dem Totenschädel stand.
    »Der Triumph des Todes«, sagte er und gestikulierte
dann zu dem Gemälde rechts davon, das den Mann und die Frau in einem Garten zeigte, »über den Triumph der Liebe.«
    »Nicht sehr romantisch.«
    Er lachte. »Nein.«
    Cat spürte, dass er sie beobachtete, nicht auf eine schlüpfrige Art, nicht lüstern, sondern nachdenklich, als ob er sie abschätzte.
    »Erzählen die Bilder eine Geschichte?«, fragte sie.
    »Eine Allegorie. Es fängt an mit der Liebe oder – allgemeiner gesprochen – mit der Menschlichkeit«, erklärte er. Seine Stimme klang entspannt, vielleicht ein bisschen gelangweilt. »Die Liebe wird vom Tod niedergerungen, der die

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