Das Spiel seine Lebens
Zigaretten. Zigaretten im Arztkittel. WieTurnschuhe zum Smoking.
Sie waren sich ein paar Mal begegnet. Die Culvers hatten Sally Li oft zu ihren Familienfeiern eingeladen. In den letzten zehn Jahren war sie Adams rechte Hand gewesen. Myron begr üßte sie mit einem Wangenkuss.
»Jessica hat mir erzählt, dass Sie Nachforschungen über Adams Tod anstellen«, sagte sie ohne Umschweife.
Er nickte. »Können wir uns kurz unterhalten?«
»Klar.« Sie gingen in ihr Büro. Auch hier dominierte der strenge Institutionsstil. Keine Privatsachen. Jede Menge Pathologielehrbücher. Ein Metalltisch. Metallstuhl. Ein Diktiergerät für die Autopsien. Ihre Zeugnisse an der Wand. Sie war unverheiratet und kinderlos, also stand kein Familienfoto auf dem Schreibtisch. Aber ein großer Aschenbecher. Er quoll über.
Mit einem Streichholz z ündete sie sich eine Zigarette an und fragte: »Wie stehen die Aktien?«
»Eine rauchende Ärztin «, sagte Myron. »Ts-ts.«
»Von meinen Patienten hat sich noch keiner beschwert.«
»Auch wieder wahr.«
Sie nahm einen tiefen Zug. »Also, was wollen Sie wissen?«
»Hatten Sie je etwas mit Adam?«
»Ja.« Ohne zu zögern. Sie sah ihm offen ins Gesicht. »Vor etwa vier Jahren. Eine Woche lang.«
»Hatte Adam viele Affären.«
»Da muss ich passen. Ein paar, glaube ich. Warum fragen Sie?«
»Ich versuch nur, ein paar Sachen herauszufinden.«
»Die mit seiner Ermordung zu tun haben?«
»Genau.«
Sie nahm die Brille ab. »Was hat Adams Liebesleben damit zu tun?«
»Wahrscheinlich nichts«, gab Myron zu. »Wie hat Adam sich die letzten paar Monate verhalten?«
»Ein bisschen schräg«, sagte sie. Wieder ohne zu zögern.
»In welcher Hinsicht?«
Sie dachte eine Weile nach. »Beruflich. Er hat mich bei ein paar großen Fällen nicht mitmachen lassen. Er hat alles für sich behalten.«
»Und das war ungewöhnlich?«
»Das gab's Noch nicht. Die großen Fälle haben wir immer gemeinsam bearbeitet.«
»Diese Fälle«, sagte Myron, »waren das die Mädchen, die man im Norden im Wald gefunden hat?«
Sie sah ihn an. » Und jetzt erzählen Sie mir, woher Sie das wissen.«
»Nur geraten.«
»Verdammt gut geraten, Myron.«
»Sie sagten große Fälle. Ich lese Zeitung. Die berichten schließlich dauernd davon.«
Sally glaubte ihm nicht, ging dem jedoch nicht weiter nach.
Myron sagte: »Und was noch?«
Sie nahm noch einen tiefen Zug. »Er war sehr abwesend. Wenn man mit ihm sprach, hat er zwar genickt, meist aber überhaupt nicht zugehört.«
»Sonst noch was?«
Sally dr ückte die Zigarette aus, obwohl sie Noch längst nicht heruntergebrannt war. Sie zündete sich eine neue an. »Neue Methode, mit dem Rauchen aufzuhören«, sagte sie. »Ich rauche genauso viele Zigaretten, aber ich mach jeden Tag weniger Lungenzüge. Immer weniger, bis ich ganz aufhöre. Wenn ich so weitermache, dauert das grade mal zwölf Jahre.«
»Viel Glück.«
»Danke.«
»Also, was war da noch?«
Noch ein Zug. » An dem letzten Mädchen, das sie im Wald gefunden haben, hat Adam jede Menge seltsame Tests durchführen lassen.«
»Was meinen Sie mit seltsame Tests?«
»Überflüssige Tests. Meiner Meinung nach jedenfalls.«
Myron sagte: »Sie ist immer Noch nicht identifiziert, oder?«
»Stimmt.«
»Vielleicht hat er die Tests nur gemacht, um zu sehen, ob er auf die Art etwas über sie rauskriegt.«
» Vielleicht. Aber er hat sie nacheinander in Auftrag gegeben. Er hat immer gewartet, bis ein Testergebnis zurückgekommen ist, bevor er den nächsten Test veranlasst hat. Anthropologische Messungen, Form und Größe des Schädels, Beckenknochen, Skelettstatus, Wachstumsfugen des Schädels - immer eins nach dem anderen.«
»Und was sagt Ihnen das?«
Sie zuckte wieder die Schultern. »Das sagt mir gar nichts. Ist nur ein Beispiel f ür sein schräges Verhalten. Er wirkte verwirrt. Der Fall war von Anfang an seltsam. Der Täter hat dem Mädchen den Schädel eingeschlagen, aber daran ist sie nicht gestorben. Sie wurde lebendig im Wald begraben. Sie hat noch versucht, sich freizuscharren, bevor sie erstickt ist.«
Stille.
»Dieses Mädchen«, sagte Myron, »was hatte sie an?«
Sally richtete sich auf. Dann beugte sie sich vor. »Okay, Myron, was läuft hier?«
»Nichts. Wieso?«
»Sie wissen genau, wieso.«
Myron hielt inne. »Ihre Kleidung fehlt.«
»Ja.«
Er f ühlte, wie ihm das Herz in die Magengrube sackte wie ein Fallschirmspringer mit kaputtem Fallschirm. »Oh, Shit.« »Was ist los?« »Sally, Sie
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