Das Spiel seine Lebens
Großteil war Neid. Christian war nicht nur gut. Verdammt, er war nicht einmal nur toll. Er war einfach unglaublich. Der Beste, den ich je gesehen habe.«
»Und?«
»Und er hat von den anderen das Gleiche erwartet.«
»Und er ist auf die Leute losgegangen, wenn sie Fehler gemacht haben?«
Ricky überlegte wieder, schüttelte dann den Kopf. »Nein, das war's auch nicht.«
»Du sprichst in Rätseln, Ricky.«
Ricky Lane blickte auf, sah wieder zu Boden, schaute nach rechts und links und sah insgesamt recht beklommen aus. »Ich kann's nicht erklären«, sagte er. »Es klingt jetzt wohl nach Nörgelei, aber den Jungs gefiel nicht, dass er immer im Mittelpunkt stand. Also, schließlich haben wir zwei Meistertitel gewonnen, und der Einzige, mit dem sie sich unterhalten haben, war Christian.«
»Die Interviews habe ich gehört. Er hat immer gesagt, dass das Lob der ganzen Mannschaft gebührt.«
»Yeah, ein wahrer Gentleman«, antwortete Ricky mit mehr als einem Anflug von Ironie. »Für dieses ganze Scheiß Gelaber von der »Mannschaftsleistung« haben ihn die Medien nur noch mehr geliebt. Die Jungs im Team haben ihn für eine echte PR-Sau gehalten. Imme r auf Werbefeldzug für s ich selbst. Sie haben ihm vorgeworfen, dass er zu beliebt war.«
»Du auch?«
»Ich weiß nicht. Möglich. Auf jeden Fall mochte ich ihn nicht so recht. Außer Football hatten wir nichts gemeinsam. Er ist ein typischer Weißer aus dem Mittleren Westen. Ich bin ein Schwarzer aus der Großstadt. Da ist nicht viel zu holen.«
»Das war alles?«
Er zuckte abweisend die Achseln. »Ich glaub schon. Mann, aber das ist ewig her. Ich weiß gar nicht, wieso ich damit angefangen habe. Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Christian hat da einfach nicht rein gepasst, okay? Ich glaub, er war ein netter Kerl. Ist immer höflich gewesen. Aber in der Kabine ist das nicht unbedingt gefragt, weißt du?«
Myron wusste es. Pubertierender, sexistischer, schwulenfeindlicher Spott - mit so etwas machte man sich in der Umkleidekabine beliebt.
»Ich muss los, Mann. Win wundert sich bestimmt schon, wo ich bleibe.«
»Okay. Wir sehen uns.«
Ricky hatte sich schon fast abgewandt, als Myron Noch etwas einfiel. »Was weißt du über Kathy Culver?«
Rickys Gesicht wurde fahl. »Was ist mit ihr?«
»Kanntest du sie?«
»Ein bisschen schon. Na ja, sie war bei den Cheerleadern und ist mit dem Quarterback gegangen. Aber wir haben nie zusammen rumgehangen oder sowas.« Er sah jetzt sehr unglücklich aus. »Warum fragst du?«
»War sie beliebt? Oder wurde sie auch gehasst?«
Rickys Augen schossen hin und her wie V ögel, die einen sicheren Platz zum Landen suchen. »Hör zu, Myron, du warst immer ehrlich zu mir und ich immer ehrlich zu dir, stimmt's?«
»Stimmt.«
»Ich will dazu nichts sagen. Sie ist tot. Lassen wir sie in Ruhe.«
»Was meinst du damit?«
»Nichts. Ich spreche nur nicht gerne über sie, okay? Ist irgendwie unheimlich. Wir seh'n uns.«
Ricky st ürzte den Korridor entlang, als wäre Reggie White hinter ihm her. Myron sah ihm nach. Er überlegte, ob er ihm folgten sollte, entschied sich jedoch dagegen. Heute würde Ricky ihm sowieso nichts mehr sagen.
12
Esperanza steckte ihren Kopf durch die T ür. »Hier ist jemand -oder etwas - für dich.«
Myron hob die Hand, um ihr zu bedeuten, dass sie noch einen Augenblick leise sein sollte. Seit er wieder ins B üro gekommen war, trug er das Headset. »Na denn, ich muss Schluss machen«, sagte er. »Versuch mal, ihn in die erste Kategorie zu bringen. Er ist ein kräftiger Bursche. Danke.« Er nahm das Headset ab. » Wer ist es?«
Sie zog eine Grimasse. »Aaron. Den Nachnamen hat er mir nicht gesagt.«
War auch nicht n ötig. »Schick ihn rein.«
Als er Aaron sah, hatte er fast das Gef ühl, in einer Zeitschleife zu stecken. Aaron war genauso groß, wie Myron ihn in Erinnerung hatte, genauso groß wie der Trottel im Parkhaus. Er trug einen frisch gebügelten weißen Anzug ohne Hemd darunter, sodass man einen tiefen Einblick in das braun gebrannte Dekollete zwischen seinen Brustmuskeln hatte. Er trug auch keine Socken. Dazu die flotte Frisur: nach hinten geföhnte wellige Haare im Pat-Riley-Stil. Schlenderschritt, dunkle DesignerSonnenbrille und ein Designer-Parfüm, das verdächtig nach Mückenschutzmittel roch. Aaron war das Sinnbild der Supercoolen - man brauchte ihn nur zu fragen, dann erzählte er einem, wo's langgeht.
Er l ächelte breit. »Schön, dich zu sehen, Myron.«
Sie sch üttelten
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