Das Spiel seine Lebens
Ache. Die Übelkeit in Myrons Magen ließ langsam nach.
Herman nahm sich einen Golfschl äger und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Ich habe gehört«, sagte er, »dass du dich mit Frank in die Haare gekriegt hast, Myron.«
»Darüber wollte ich mit dir reden.«
Herman nickte. »Frank?«
Die T ür wurde geöffnet. Frank kam herein. Man sah ihnen an, dass sie Brüder waren. Beide hatten fast die gleichen Gesichtszüge. Weitere Ähnlichkeiten bestanden allerdings nicht. Frank war mindestens zehn Kilo schwerer als sein älterer Bruder. Er war birnenförmig, hatte schmale Paul-Schaefer-Schultern und einen Rettungsring, bei dessen Anblick der Michelin-Mann vor Neid erblasst wäre. Trotz seiner Vollglatze verzichtete Frank auf einen Haarersatz. Zwischen seinen schwarzen Zähnen klafften große Lücken. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen verdrießlich und wütend.
Beide Br üder waren auf der Straße aufgewachsen. Beide hatten als kleine Gauner angefangen und sich hoch gearbeitet. Beide hatten mit ansehen müssen, wie ihre eigenen Kinder im Lauf der Jahre erschossen wurden. Beide hatten die Kinder vieler anderer Menschen erschießen lassen. Herman tat gerne so, als schwebe er in höheren Sphären als sein roher kleiner Bruder - Sphären der Bücher, der Kunst und des Golfspiels. Aber so leicht entkam er ihm nicht. Sie waren vom gleichen Schlag. Frank erinnerte Herman immer wieder an seine Herkunft und vielleicht auch an seine wahre Natur. Aber Frank war in seiner Welt anerkannt und fühlte sich dort wohl. Herman nicht.
Frank trug einen himmelblauen Jogginganzug mit neongelb abgesetzten N ähten. Die Jacke war offen und - ein Modetipp von Yves St. Aaron - er trug kein Hemd. Seine Brustbehaarung wurde entweder durch irgendein gl änzendes Öl oder durch körpereigenen Schweiß in Fasson gehalten. Rattenscharf. Die Stretchhose war ein paar Nummern zu klein und zeigte eine Beule in seinem Schritt. Myron wurde wieder übel.
Frank sagte nichts. Er setzte sich hinter den Schreibtisch seines Bruders und wartete.
»Ja, Myron«, sagte Herman. »Wenn ich das richtig verstanden habe, dreht sich alles um einen schwarzen Boy, der Basketball spielt.«
»Chaz Landreaux«, sagte Myron. »Ich glaube nicht, dass er wild darauf ist, »Boy« genannt zu werden.«
»Verzeih einem alten Mann, der bei den politisch korrekten Begriffen nicht immer auf der Höhe seiner Zeit ist. Ich wollte nicht respektlos sein.«
Win sa ß ruhig da und betrachtete seine Umgebung.
»Ich erzähl mal eben, wie ich die Sache sehe«, fuhr Herman fort. »Ich bemühe mich auch, objektiv zu sein. Dein Mr. Landreaux hat einen Vertrag unterzeichnet. Er hat das Geld kassiert. Dann, als es ans Zurückzahlen ging, hat er sich quer gelegt.«
»Das soll objektiv sein? Chaz Landreaux ist doch fast noch ein Kind - «
»Erspar mir den Vortrag«, unterbrach Herman ihn freundlich. »Wir sind keine Sozialarbeiter. Das weißt du. Wir machen Geschäfte. Wir haben in diesen jungen Mann investiert. Wir haben mehrere Tausend Dollar eingesetzt. Als die Investition gerade etwas abwerfen sollte, hast du dich eingemischt.«
»Ich habe mich nicht eingemischt. Er ist zu mir gekommen. Er ist ein verängstigtes Kind. O'Connor hat ihn geködert, als er achtzehn war. Es ist nicht ohne Grund verboten, mit so jungen Sportlern Verträge zu machen. Jetzt versucht der Junge, da rauszukommen, bevor er noch tiefer reinrutscht.«
Herman sah ihn skeptisch an. » Ach komm, Myron. Die Kin der von heute werden schnell erwachsen. Er wusste genau, was er tat. Es war gegen das Gesetz - na und? Der Junge kannte das Gesetz. Er wollte das Geld trotzdem. «
»Er zahlt es zurück.«
Zum ersten Mal sagte Frank Ache etwas. »Der kann mich mal.«
Myron winkte ihm zu. » Hi, Frank. Scharfe Klamotten.«
»Und du kannst mich auch mal, du Fliegenschiss. Vertrag ist Vertrag.«
Myron wandte sich an Win. »Fliegenschiss?«
Win zuckte die Achseln.
»Teil des Vertrags war«, sagte Myron, »dass Chaz ihn jederzeit widerrufen und das Geld zurückzahlen konnte. Das hat Roy O'Connor ihm zugesagt.«
»Was O'Connor gesagt hat, interessiert mich 'nen Scheißdreck. «
Herman sagte: »Frank, bitte, nicht so aggressiv.«
»Ich scheiß auf den Kerl, Herman. Der Wichser will mich verarschen. Er nimmt mir die Butter von meinem verdammten Brot. Es geht nicht nur um den einen Nigger. Wir haben zig solche Verträge. Wenn einer abhaut, hauen die andern auch ab. Ich finde, wir zeigen den anderen Agenten, dass
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