Das Spiel
des Feuers gerichtet. Zu der dicken Eichentür weiter im Gang. Ich wußte es in dem Moment, in dem der Alarm losging. Lodernde Flammen lecken schon an der getäfelten Decke in Pasternaks Büro. Sein Schreibtisch, der Stuhl, die Präsidentenfotos an den Wänden ... Alles brennt lichterloh. Ich bleibe nicht stehen. Die Aktenschränke sind feuerfest. Mit Glück schaffe ich es noch ...
»Sir, verlassen Sie das Gebäude!« wiederholt der Wächter.
»Ich muß da rein!« Ich will mich an ihm vorbeidrängen.
»Sir!« ruft der Mann, streckt den Arm aus und versperrt mir den Weg. Er trifft meine Brust. Er ist zehn Zentimeter größer und hundert Pfund schwerer als ich, doch ich gebe nicht auf. Er auch nicht. Als ich ihn beiseite schieben will, kneift er mir in den Hals und dreht die Haut zwischen seinen Fingern. Der Schmerz ist so stark, daß ich beinahe in die Knie gehe.
»Sir, hören Sie mich?«
»Die Aktenordner ...«
»Sie können da nicht rein, Sir! Sehen Sie nicht, was da drin los ist?«
Es kracht. Die Eichentür von Pasternaks Büro löst sich aus den Angeln und stürzt zu Boden. Dahinter sehe ich die drei Aktenschränke an der Wand. Sie sind alle feuerfest. Das Problem ist nur, daß jemand alle Schubladen aufgezogen hat.
Die Papiere darin knistern und sind bereits bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Alle paar Sekunden pufft es. Schwarze Fetzen schweben durch die Luft. Der Rauch nimmt mir fast den Atem. Die Welt verschwimmt hinter den Flammen, und es bleibt nur noch Asche übrig.
»Die Akten sind verloren, Sir«, erklärt der Wächter. »Und jetzt gehen Sie bitte die Treppe hinunter.«
Ich rühre mich nicht. In der Ferne höre ich das Schrillen von Sirenen, die sich langsam nähern. Die Ambulanz und die Feuerwehr sind unterwegs. Die Polizei dürfte nicht weit dahinter sein.
Der Wächter will mich herumdrehen. In dem Moment fühle ich eine weiche Hand auf meinem Rücken.
»Madam ...!« sagt der Mann vom Sicherheitsdienst.
Viv wirft einen Blick auf die brennenden Akten in Pasternaks Büro. Das Heulen der Sirenen wird lauter.
»Komm jetzt«, sagt sie. Ich stehe immer noch unter Schock, und als ich mich umdrehe, erkennt sie das sofort. Pasternak war mein Mentor. Ich kannte ihn seit meinen ersten Tagen auf dem Hügel.
»Vielleicht ist es ja gar nicht so, wie du denkst«, meint sie und zieht mich durch den Flur zur Treppe.
Tränen laufen mir über das Gesicht. Ich rede mir ein, es läge am Rauch. Mittlerweile scheinen die Sirenen vor dem Haus angekommen zu sein. Viv zerrt mich in den dunklen, grauen Nebel. Ich versuche zu laufen, aber es ist schon zu schwierig. Ich kann kaum noch etwas sehen. Meine Beine fühlen sich an, als wären sie aus Gummi.
Ich schaffe es nicht mehr. Statt zu laufen, gehe ich nur schleppend weiter.
»Was machst du?« fragt Viv.
Ich kann ihr nicht in die Augen sehen. »Es tut mir leid, Viv...«
»Was? Jetzt willst du aufgeben?«
»Wie gesagt, es tut mir leid.«
»Das reicht nicht! Glaubst du, damit wärst du aus dem Schneider? Du hast mir diese Suppe eingebrockt, Harris! Du und dein dummer Bruder im Geiste. Deinetwegen renne ich um mein Leben, trage seit drei Tagen dieselbe Unterwäsche, weine mich jede Nacht in den Schlaf und frage mich, ob dieser Psychopath an meinem Bett sitzt, wenn ich die Augen aufschlage! Tut mir leid, daß dein Mentor dich reingelegt hat und daß dieses Leben auf dem Hügel alles ist, was du hast. Ich habe noch mein ganzes Leben vor mir und will es wiederhaben! Komm mit deinem Hintern hoch, und laß uns hier verschwinden! Wir müssen rauskriegen, was wir in diesem unterirdischen Labor gesehen haben, und haben deshalb gleich einen Termin mit einem Wissenschaftler. Du bist schuld, wenn ich mich verspäte!«
Bei ihrem Ausbruch bleibe ich wie vom Donner gerührt stehen.
»Du weinst dich wirklich in den Schlaf?« frage ich.
Viv antwortet mit einem durchdringenden Blick. Ihre braunen Augen leuchten durch den Rauch. »Nein!«
»Viv, du weißt, daß ich nie ...«
»Ich will nichts hören!«
»Aber ich ...«
»Du bist verantwortlich, Harris. Also, willst du es wiedergutmachen oder nicht?«
Vor dem Gebäude brüllt jemand Anweisungen durch ein Megaphon. Die Polizei ist da. Wenn ich aufgeben will, wäre das hier genau der richtige Platz.
Viv geht den Flur entlang. Ich rühre mich nicht von der Stelle.
»Good-bye, Harris!« ruft sie. Ihre Worte haben mich getroffen. Als ich sie um Hilfe bat, habe ich ihr versprochen, es wäre nicht zu ihrem Schaden. Und Matthew
Weitere Kostenlose Bücher