Das Spiel
Raumes. Sie ist ebenfalls mit einem elektronischen Zahlenschloß gesichert. Nun setzt sich auch Triefauge in Bewegung. Meine Finger zittern, als ich Barrys Code eingebe. »Komm schon ...«, flehe ich und warte auf den magnetischen Klick. Der Mann kurvt um den Schreibtisch. Er ist noch zehn Schritte hinter mir. Das Schloß öffnet sich mit einem leisen Klacken. Ich schiebe die Tür auf, springe hindurch und fahre herum, um sie zuzuschieben. Wenn ich ihn einsperren kann ...
Unmittelbar bevor die Tür sich schließt, kann er seine Hand durch den Schlitz schieben. Seine Knochen knirschen. Er beißt die Zähne zusammen, läßt jedoch nicht ab. Ich drücke fester gegen die Tür. Er zieht die Hand immer noch nicht zurück. Durch das Glas sehe ich seine Augen. Sie sind noch finsterer als vorher. Er gibt nicht auf. Seine Knöchel laufen rot an, so fest umklammert er den Türrahmen. Schließlich schiebt er seinen Fuß durch den Schlitz und schiebt die Tür langsam weiter auf.
Ich suche hastig den Innenhof ab. Überall stehen Stühle aus Teakholz und passende Fußhocker. Im Frühling wird der Hof meist für großzügige Gönner von Kongreßabgeordneten benutzt. Warum sollte man einen Raum mieten, wenn man sich im Haus treffen kann? Rechts und links von mir schaffen mit Efeu bewachsene Holzgerüste künstliche Wände für die Überdachung. Direkt vor mir erhebt sich die beeindruckende Kuppel des Capitols. Und vor allem das vierstöckige Nachbarhaus. Die beiden Gebäude sind nur durch eine zweieinhalb Meter breite Gasse getrennt.
Der Mann unternimmt einen letzten Versuch. Als er sich mit der Schulter gegen die Tür stemmt, lasse ich los. Sie gleitet zurück, und der Kerl stürzt zu Boden. Ich laufe bereits zum Rand des Daches.
»Das schaffst du nie!« schreit er.
Ich achte nicht darauf, sondern laufe weiter, geradewegs auf die Dachkante zu. Nur nicht in den Abgrund blicken, schärfe ich mir ein, aber während ich vorwärts stürme, sehe ich nichts anderes. Vier Stockwerke. Zwei Meter fünfzig breit. Vielleicht auch nur zwei Meter, wenn ich Glück habe. Bitte, laß es zwei Meter sein!
Ich halte den Blick starr geradeaus gerichtet, sprinte über die Terrakottafliesen, beiße die Zähne zusammen und stoße mich von der Betonbrüstung ab. Damals im College sagte mir Matthew einmal, er wäre groß genug, um über die Haube eines VW-Käfers zu hüpfen. Hoffen wir, daß das auch für mich gilt.
Ich überspringe die zwei Meter breite Schlucht und lande mit den Hacken auf dem Dach des angrenzenden Hauses. Ich rutsche weiter, bis ich auf den Hintern zurückfalle. Es brennt wie Feuer, als ich darauf entlangrut-sche. Im Gegensatz zum Innenhof ist das Dach mit Teer gedeckt. Mein Aufprall wirbelt eine Menge Staub auf. Mir bleibt keine Zeit stehenzubleiben. Ein Blick zurück verrät mir, daß Triefauge sich ebenfalls zum Sprung anschickt.
Ich rappele mich auf und suche nach einer Tür zum Treppenhaus. Nichts in Sicht. Am gegenüberliegenden Sims ragen die Sprossen einer Feuerleiter über den Rand. Ich laufe dorthin, springe über den Sims und rutsche die Metalleiter herunter. Mit einem metallenen Knall lande ich auf der obersten Plattform. Ich halte mich am Geländer fest und rase hinunter. Ich nehme fast die Hälfte der Leiter mit einem Satz. Im ersten Stock höre ich ein Krachen, so daß die ganze Leiter vibriert. Über mir hat der Mann die oberste Plattform erreicht. Er schaut durch das Gitterwerk hinunter. Ich habe drei Stockwerke Vorsprung.
Mit einem Tritt hake ich Metalleiter aus und lasse sie auf die Gasse rattern. Ich rutsche beinahe gleichzeitig hinunter und lande auf dem Betonboden. Links von mir ist eine Sackgasse. Rechts auf der anderen Straßenseite liegt Bullfeathers, eine der ältesten Bars des Capitols.
Dort ist jetzt Happy Hour, der perfekte Zeitpunkt, um in der Menge unterzutauchen.
Ich stürme über die Straße. Ein silberfarbener Lexus kommt hupend und mit quietschenden Reifen zum Stehen. Er hätte mich beinahe überfahren. Vor dem Bullfeathers sehe ich Dan Dutko. Er ist mit Abstand der netteste Lobbyist der ganzen Stadt. Er hält seinen Leuten gerade die Tür auf.
»He, Harris, hab gerade Ihren Boß im Fernsehen gesehen. Sie bringen ihn ja ganz schön nach vorne!« ruft er lachend.
Ich grinse gezwungen und bahne mir den Weg nach vorn. Beinahe hätte ich dabei eine dunkelhaarige Frau umgestoßen.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragt eine Kellnerin, als ich in den Laden stolpere.
»Die Waschräume?« fahre ich sie
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