Das Spiel
auch immer Matthew gesehen hat und was er getan haben mag ... Der Mann, der mich jagt, will die Sache augenscheinlich ohne viel Aufsehen erledigen, und er ist kein Anfänger. Ich muß daran denken, wie er Matthew ausgeschaltet hat. Und Pasternak. Deshalb hat er die Einzelteile des schwarzen Kästchens eingesammelt. Wenn man Pasternaks Leiche findet, wird niemand eine Frage stellen. Jeden Tag sterben Menschen an ihren Schreibtischen.
Ich schüttele den Kopf, als mir meine Lage bewußt wird. Dieser unheimliche Verrückte geht sehr geschickt vor. Und was hat es mit diesem schwarzen Kästchen auf sich? Der Bursche ist ein Profi, auch wenn er bestimmt nicht zum FBI gehört. Ich weiß nicht, ob er das ganze Spiel lahmlegen will oder nur unsere Staffel, aber man braucht kein Genie zu sein, um die Richtung zu erkennen. Pasternak hat mich in das Spiel geholt und ich Matthew. Zwei von uns sind erledigt, einer ist noch übrig. Irgendwie trage ich eine Zielscheibe mitten auf der Stirn.
Ich ziehe meine Knie an die Brust und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, daß alles nur ein Traum sein möge. Aber meine Freunde sind tot, und ich bin der nächste.
Wie, zum Teufel, konnte das passieren? Mein Blick fällt auf mein Spiegelbild in dem Chromlenker des Kinderfahrrades. Es ist verzerrt, wie in einem Löffel. Die ganze Welt ist verzerrt, und ich komme nicht heil aus dieser Lage heraus, nicht ohne Hilfe.
Ich springe die Treppe hoch und stürme durch die Hintertür nach draußen. Erst nach fünf Blocks bleibe ich stehen. Das ist vielleicht nicht weit genug, trotzdem klappe ich mein Handy auf und wähle die Nummer der Auskunft.
»Welche Stadt?« fragt eine weibliche Computerstimme.
»Washington, D. C.«
»Welcher Eintrag?«
»Das US-Justizministerium.«
Ich drücke den Hörer fest gegen mein Ohr, als die Nummer angesagt wird. Sieben Ziffern später muß ich drei Sekretärinnen überwinden, bevor ich endlich durchgestellt werde.
Sie haben ihre Kanone herausgeholt. Wird Zeit, daß ich ihnen meine zeige.
Wie immer hebt er nach dem ersten Klingeln ab. »Ja bitte?«
»Ich bin's, Harris. Ich brauche deine Hilfe.« »Sag mir, wo und wann. Bin schon unterwegs ...«
13. KAPITEL
»Sie haben ihn verloren?«
»Nur kurzzeitig«, erwiderte Janos. Er umkreiste mit dem Handy am Ohr den Block vor dem Bulljeathers. »Er wird nicht...«
»Danach habe ich nicht gefragt! Ich habe gefragt: Haben Sie Harris verloren?«
Janos blieb wie angewurzelt mitten auf der Straße stehen. Ein hispanisch aussehender Mann in einem dunkelroten Oldsmobile drückte auf die Hupe und schrie ihn an weiterzugehen. Janos rührte sich nicht. Er kehrte dem Oldsmobile den Rücken, hielt das Telefon fester und holte tief Luft. »Ja«, sagte er. »Ja, Mr. Sauls. Ich habe ihn verloren.«
Sauls ließ das Schweigen einwirken.
Arschloch! dachte Janos. Das hatte er schon bei seinem letzten Auftrag für Sauls erlebt. Große Nummern haben immer das Bedürfnis, große Punkte zu machen.
»Sind wir damit durch?« fragte Janos.
»Ja, zunächst jedenfalls«, erwiderte Sauls.
»Gut. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich hatte ein langes Gespräch mit Ihrem Insider. Ich weiß, wo Harris lebt.«
»Halten Sie ihn wirklich für so dumm, nach Hause zu gehen?«
»Ich rede nicht von seiner Wohnung«, zischte Janos. »Ich habe ihn sechs Monate beobachtet. Ich weiß, wo er lebt!«
Als Janos schließlich auf den Bürgersteig trat, ließ der Mann in dem Oldsmobile die Hupe los und trat aufs Gas. Der Wagen machte einen Satz und kam quietschend neben Janos zum Stehen. Der Fahrer ließ das Beifahrerfenster herunter. »Soll ich dir Manieren beibringen, Armleuchter?« schrie er.
Janos beugte sich zum Wagen herunter und lehnte den Arm auf das halbgeöffnete Fenster, das unter seinem Druck nachgab. Seine Jacke öffnete sich weit genug, daß der Mann Janos Lederschulterhalfter sehen konnte, in der eine Neun-Millimeter-Sig-Sauer-Pistole steckte. Janos verzog unmerklich die Lippen. Der Mann im Oldsmobile trat das Gaspedal fast durchs Bodenblech. Die Räder drehten durch, und der Wagen ruckte heftig an. Janos drückte den Arm fest gegen die Karosserie und hinterließ mit seinem Ring eine lange Furche in dem polierten Blech, als der Oldsmobile davonbrauste.
14. KAPITEL
»Kann ich Ihnen etwas bringen?« fragt mich die Kellnerin.
»Ja ... sicher«, sage ich und blicke von der Speisekarte hoch, die ich ihrer Meinung nach allmählich lange genug vor der Nase haben sollte, was allerdings nur teilweise
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