Das Spiel
die Tür«, sagte Roxanne und wies Viv den Weg nach hinten.
Viv ging zur Tür, und Roxanne konzentrierte sich wieder auf C-SPAN. Viv grinste unwillkürlich. Selbst die Angestellten auf dem Capitol Hill waren Politjunkies.
Viv ging schneller und betrat den Raum.
»... und wo stehen wir jetzt?« fragte eine männliche Stimme.
»Ich sagte Ihnen doch, wir arbeiten daran«, antwortete Dinah. »Er ist nur für zwei ...«
Die Tür knallte gegen die Wand. Dinah unterbrach sich und wendete sich abrupt zu Viv um.
»Entschuldigung«, meinte Viv.
»Kann ich dir helfen?« fragte Dinah mürrisch.
Noch bevor Viv antworten konnte, drehte sich der Mann vor Dinahs Schreibtisch nach dem Geräusch um. Viv sah ihm direkt in die Augen, aber irgendwas stimmte nicht. Sein Blick ging über sie hinweg, als wäre er ...
Viv bemerkte den weißen Stock, als der Mann seinen Daumen an dem Handgriff rieb. Deshalb kam er ihr so bekannt vor. Sie hatte ihn während der Abstimmung vor dem Senatssaal herumwandern sehen.
»Kann ich dir helfen?« wiederholte Dinah.
»Ja.« Viv tat, als musterte sie das ausgestopfte Frettchen auf dem Buchregal. »Es ist nur ... dieses Frettchen ...«
»Bist du wegen der Unterlagen hier?«
»Ja, wegen der Unterlagen.«
»Sie liegen auf dem Stuhl«, sagte Dinah und deutete auf einen Schreibtisch gegenüber von ihrem.
Viv beeilte sich und glitt hinter den Schreibtisch, wo zwei dicke Ringbuchordner auf dem Schreibtischstuhl standen. Auf dem Rücken des einen stand A-L, auf dem des anderen M-Z. Sie zog den Stuhl heraus, um die Ordner hochzuheben, und bemerkte dabei einen Stapel von gerahmten Fotos, die mit den Bildern nach oben auf dem Tisch lagen. Als würde jemand zusammenpacken oder als würde er weggeräumt werden. Der Computer auf dem Schreibtisch war ausgeschaltet, obwohl es mitten am Tag war. Die Diplome, die an der Wand gehangen hatten, lehnten nun auf dem Boden dagegen. Die Zeit schien stehenzubleiben, als sie sich zu dem Stuhl hinunterbeugte und ihr Ausweis gegen den Rand des Schreibtisches schlug.
Sie warf noch einen letzten Blick auf das oberste Foto.
Es zeigte einen Mann mit hellblondem Haar, der vor einem saphirblauen See stand. Er war groß und hatte einen dünnen Hals, der ihn noch schlaksiger wirken ließ. Noch auffälliger war, daß er beinahe aus dem Rahmen fiel, so weit links stand er. Matthew Mercer deutete mit der linken geöffneten Hand auf den See und machte unmißverständlich klar, wen er für den Star des Fotos hielt. Er lächelte stolz. Viv hatte ihn noch nie gesehen, aber sie konnte die Augen nicht von ihm nehmen.
Plötzlich fühlte sie eine kräftige Hand auf ihrer Schulter. »Alles in Ordnung?« fragte Barry. »Brauchen Sie Hilfe?«
Viv zuckte zurück, riß die Aktenordner hoch und stolperte auf die andere Seite des Tisches. Sie tat, als geriete sie aus dem Gleichgewicht. Sie fing sich jedoch sofort wieder und warf einen letzten Blick auf Matthews Schreibtisch.
»Tut mir leid wegen Ihres Freundes«, sagte sie.
»Danke«, erwiderten Dinah und Barry gleichzeitig.
Viv lächelte verlegen und ging hastig zur Tür. Barry rührte sich nicht, doch seine verschleierten blauen Augen folgten jeder ihrer Bewegungen.
»Sorgen Sie dafür, daß wir sie zurückbekommen!« rief Dinah ihr nach und rückte ihren Känguruhbeutel zurecht. Sie hatte zwar in den letzten zwei Jahren als Matthews Bürokollegin neben ihm gesessen, aber sie war immer noch die Bürochefin des Ausschusses. Diese Unterlagen waren sehr wichtig.
»Machen wir«, erwiderte Viv. »Sobald der Kongreßabgeordnete damit fertig ist, kriegen Sie alles zurück.«
22. KAPITEL
»Was ist mit seinem Haus?« quäkte Sauls' Stimme aus dem Lautsprecher des Handys.
»Er wohnt in einem Loft in den Außenbezirken von Adams Morgan«, erwiderte Janos mit gedämpfter Stimme. Er bog um die Ecke des langen, makellos sauberen Marmorflurs des Russell-Senat-Bürogebäudes. Er lief nicht, ging jedoch zügig. Zielstrebig. Wie alle hier um ihn herum. Das war der beste Weg unterzutauchen. »Das Loft gehört ihm nicht ... Er besitzt auch sonst nicht viel. Keinen Wagen, keine Aktien, nichts auf seinem Bankkonto. Ich vermute, er zahlt immer noch irgendwelche Kredite ab.«
»Waren Sie schon in seiner Wohnung?«
»Was glauben Sie wohl?« schoß Janos zurück.
»Er war also nicht da?«
Janos antwortete nicht. Er haßte dumme Fragen. »Wollen Sie noch etwas wissen?«
»Familie und Freunde?«
»Der Junge ist clever.«
»Das wissen wir.«
»Das
Weitere Kostenlose Bücher