Das Spiel
auf dem Schreibtisch, und die Frau griff nach dem Hörer. »Garderobe«, verkündete sie. »Jawohl ... Zimmernummer? ... Ich schicke sofort einen los ...« Sie hob einen Finger. Das Signal für die Pagen, die in der Nähe ihres Schreibtisches auf Mahagonibänken warteten. Ein siebzehnjähriger spanischstämmiger Junge in grauer Hose und einem blauen Sportjackett sprang hoch.
»Fertig für einen kleinen Dauerlauf, A. J.?« fragte die Frau, während der Junge Viv von Kopf bis Fuß musterte. Als er ihren Anzug bemerkte, verzog sich sein Gesicht eine Spur höhnisch. Anzug statt Sportjackett. Selbst unter den Pagen hieß es: Repräsentantenhaus gegen Senat. »Abholung in B-351-C«, setzte die Frau hinzu.
»Schon wieder?« Der Page stöhnte. »Haben die da noch nichts von E-Mail gehört?«
Die Frau ignorierte die Beschwerde und wandte sich wieder zu Viv um. »Womit kann ich dir helfen?«
»Ich arbeite im Senat...«
»Offensichtlich«, warf die Frau ein.
»Ja, wir ... wir fragen uns, ob Sie hier über die Lieferungen Ihrer Pagen Buch führen. Ein Senator hat letzte Woche ein Päckchen bekommen und schwört Stein und Bein, daß er dem Pagen einen Umschlag mit auf den Weg gegeben hat. Da er ein Senator ist, weiß er natürlich nicht mehr, ob es ein Hauspage oder einer vom Senat war. Für die sehen wir alle gleich aus, wissen Sie?«
Die Frau lächelte, und Viv atmete erleichtert auf. Sie war drin.
»Wir behalten nur die aktuellen Sachen.« Die Frau deutete auf die Aufenthaltsliste. »Alles andere wandert in den Reißwolf.«
»Sie haben also keine Unterlagen mehr ...«
»Genau. Ich vernichte sie jeden Abend. Um ehrlich zu sein, wir machen das nur, um euch im Auge zu behalten. Wenn einer von euch verschwindet, na ja, du weißt ja, was passiert, wenn man euch Siebzehnjährige in einen Raum voller Kongreßabgeordneter läßt...« Die Frau legte den Kopf schief.
Viv blieb mucksmäuschenstill.
»Entspann dich, Süße. Ein kleiner Witz.«
»Schon klar.« Viv zwang sich zu einem Lächeln. »Darf ich vielleicht ... Kann ich das kopieren? Dann können wir ihm wenigstens etwas zeigen.«
»Bedien dich«, erwiderte die Frau. »Wenn's dir das Leben leichter macht...«
20. KAPITEL
Ich sitze in dem Lagerraum fest und warte auf Viv. Den Hörer drücke ich fest ans Ohr, während ich die Nummer wähle.
»Büro des Kongreßabgeordneten Grayson.« Endlich geht der junge Mann mit dem tonlosen Soufh-Dakota-Akzent ran. Dafür muß ich Grayson Punkte geben. Wenn ein Wähler anruft, hört er als erstes die Stimme des Empfangschefs. Schon deshalb sorgen clevere Kongreßabgeordnete dafür, daß ihre Vorzimmerleute immer den richtigen Akzent haben.
Ich schaue an dem Stapel Stühle vorbei und lege eine lange Pause ein, damit der Mann vom Empfang denkt, ich wäre beschäftigt. »Hi, ich suche nach Ihrem Sachbearbeiter für den Bewilligungsausschuß. Ich habe seine Informationen verlegt.«
»Welchen Namen soll ich ihm nennen?«
Eigentlich will ich Matthews Namen benutzen, aber vielleicht haben sich die Neuigkeiten bereits herumgesprochen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. »Ich rufe von der Bewilligungsstelle des Innenministeriums an. Ich brauche ...«
Er drückt mich in die Warteschleife. Einige Sekunden später ist er wieder dran. »Tut mir leid. Sein Assistent meint, er wäre mal kurz vor die Tür gegangen.«
Das ist eine durchsichtige Lüge. Auf Graysons Ebene haben Mitarbeiter des Repräsentantenhauses keine Assistenten. Überrascht bin ich dennoch nicht. Ich rufe über die Hauptleitung an. Dann wird der Anruf als nicht weiter bedeutsam eingestuft.
»Sagen Sie ihm, ich arbeite in Cordells Büro. Es geht um eine Anfrage des Kongreßabgeordneten Gray-son ...«
Erneut hänge ich in der Schleife. Wieder ist er nach wenigen Sekunden dran.
»Einen Augenblick, Sir. Ich stelle Sie gleich zu Perry durch ...«
Erste Regel in der Politik: Jeder hat Angst.
»Perry«, antwortet eine kratzige, mürrische Stimme.
»Hi, Perry, ich rufe von der Bewilligungsstelle des Innenministeriums an. Ich bin für Matthews Bereich zuständig, nachdem er ...« Ich halte inne.
»Ich habe davon gehört. Tut mir leid. Matthew war großartig.«
Er sagt »war«, und ich schließe die Augen. Es trifft mich immer noch wie ein Schlag in die Magengrube.
»Was kann ich für Sie tun?« will Perry wissen.
Ich denke an unsere Wette. Was auch immer Matthew an diesem Tag gesehen hat ... Der Grund, aus dem er und Pasternak umgebracht wurden ... Damit hat es
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