Das Spiel
Gefahr.«
»Ich? Ich soll sie nicht in Gefahr bringen? Wie konntest du mir das antun?« Sie stolpert zurück und mustert erneut jeden vorübergehenden Touristen. Ich dachte, sie täte es aus Angst oder Nervosität. Der typische Außenseiter, der versucht, sich anzupassen. Je länger ich sie beobachte, desto klarer wird mir, daß dies nur zum Teil stimmt. Leute, die nach Hilfe suchen, sind für gewöhnlich auch daran gewöhnt, welche zu bekommen. Sie umklammert immer noch den Ausweis. Mom ... Dad ... Ihre Tante ... Sie waren ihr Leben, haben ihr geholfen, sich mit ihr gefreut. Jetzt sind sie weg. Das spürt Viv.
Während sie nervös die Menschen mustert, steigt bittere Galle in mir hoch. Ganz gleich, was passiert, ich werde mir nie verzeihen, daß ich sie so verletzt habe.
»Was ... soll ich jetzt tun?« stammelt sie.
»Alles wird gut«, verspreche ich. Hoffentlich kann ich sie beruhigen. »Ich habe genug Geld. Vielleicht kann ich dich in einem Hotel verstecken.«
»Allein?«
Schon diese Frage verrät mir, wie schlecht diese Idee ist. Vor allem, wenn sie in Panik gerät und die Deckung verläßt. Ich habe sie schon einmal in Gefahr gebracht. Noch einmal lasse ich sie nicht im Stich. »Also gut, kein Hotel. Statt dessen könnten ...«
»Du hast mein Leben zerstört!«
»Viv ...«
»Du hast es zerstört, Harris, und dann hast du ... Mein Gott! Hast du eine Ahnung, was du gemacht hast?«
»Es war nur ein kleiner Gefallen. Ich schwöre, wenn ich geahnt hätte, daß so etwas passiert...«
»Sag nicht, du wußtest es nicht...«
Sie hat vollkommen recht. Ich hätte es wissen müssen. Ich habe schließlich jeden Tag politische Umschwünge zu kalkulieren. Doch hierbei habe ich nur an mich selbst gedacht.
»Viv, wenn ich es ungeschehen machen könnte ...«
»Das kannst du nicht!«
In den letzten drei Minuten hat sie alle möglichen emotionalen Reaktionen durchlaufen: von Ärger zur Ablehnung, zur Verzweiflung und Akzeptanz und nun wieder zu Ärger. Alles Reaktionen auf eine unabänderliche Tatsache: Nachdem ich sie mit hineingezogen habe, wird Janos nicht ruhen, bis wir beide tot sind.
»Viv, reiß dich zusammen. Wir müssen hier weg.«
»... und ich habe es nur schlimmer gemacht«, murmelt sie. »Ich habe es mir selbst zuzuschreiben.«
»Das stimmt nicht«, widerspreche ich. »Mir dir hat das nichts zu tun. Ich habe es verbockt. Ich allein.«
Sie steht immer noch unter Schock und versucht zu verarbeiten, was passiert ist. Sie sieht erst mich an und blickt dann an sich herunter. Von jetzt an sind wir an-einandergekettet.
»Wir sollten die Polizei anrufen«, stammelt sie.
»Nachdem das mit Lowell passiert ist?«
Sie kapiert sofort das große Ganze. Wenn Janos an die Nummer Zwei des Justizapparates herankommt, dann führen auch alle Wege über die Exekutive zu ihm zurück.
»Und jemand anderes? Hast du keine Freunde?«
Ihre Frage trifft mich wie eine Ohrfeige. Die beiden Leute, die mir am nächsten standen, sind tot. Lowell ist kaltgestellt, und niemand weiß, wen Janos noch kontrolliert. Die Politiker und Mitarbeiter, mit denen ich in all den Jahren zusammengearbeitet habe ... Sicher, es sind Freunde. Nur bedeutet in dieser Stadt Freundschaft nicht auch Vertrauen. »Wir heften jedem, mit dem wir reden, eine Zielscheibe auf die Brust«, erkläre ich. »Sollten wir mit anderen das tun, was ich mit dir gemacht habe?«
Sie starrt mich nieder. Sie weiß, daß ich recht habe. Das hält sie jedoch nicht davon ab, nach einem Ausweg zu suchen.
»Was ist mit einem der Pagen?« fragt sie. »Vielleicht können sie uns sagen, wer etwas Verdächtiges an bestimmte Leute geliefert hat, an diejenigen, die das Spiel gespielt haben.«
»Auf den Auslieferungszetteln aus der Garderobe sind leider die Spieltage nicht mehr aufgelistet.«
»Also wurden alle Pagen benutzt, ohne davon zu wissen?«
»Für die Wetten schon, nicht aber für die Goldmine.«
»Wie meinst du das?«
»Der Junge, der Matthew überfahren hat, Toolie Wili-ams. Er war als Page verkleidet und trug dein Namensschild.«
»Warum sollte sich jemand als Page verkleiden?«
»Vermutlich hat Janos ihn dafür angeheuert, weil er im Auftrag von jemandem handelt, der ein starkes Interesse am Ausgang dieser Geschichte hat.«
»Du glaubst, es geht ihnen um diese Goldmine?«
»Schwer zu sagen. Doch nur diese Leute profitieren davon.«
»Ich verstehe das trotzdem nicht«, antwortet Viv. »Wie kann Wendell Mining davon profitieren, wenn gar kein Gold in der Miene
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