Das Spiel
versetzen.
»Viv, ich sage dir eins: Niemand anders hätte es so weit geschafft.«
Sie hält den Kopf gesenkt.
Mir ist erst in meinem letzten Jahr auf dem College klargeworden, daß ich nicht unverletzlich bin, als mein Dad gestorben ist. Viv lernt diese Lektion nun bereits mit siebzehn Jahren.
Ich drehe mich um und schlurfe durch den nassen Schlamm.
»Nimm das mit!« Sie hält mir den Sauerstoffdetektor hin.
»Eigentlich solltest du ihn behalten. Nur für den Fall, daß...«
Sie wirft ihn mir einfach zu. Als ich ihn auffange, ertönt ein lautes Kreischen hinter ihr. Der Korb verschwindet durch den Schacht nach oben. Das war die letzte Maschine.
»Wenn du hochwillst«, sage ich, »nimm einfach den Hörer ab und wähle die ...«
»Ich gehe nirgendwo hin«, unterbricht sie mich. Selbst jetzt will sie nicht aufgeben. »Finde raus, was sie vorhaben«, wiederholt sie.
Ich nicke ihr zu, und meine Grubenlampe zuckt über ihr Gesicht. Ich werfe einen letzten Blick auf sie, bevor ich mich zu den Stollen umdrehe.
41. KAPITEL
»Möchten Sie ein Zimmer?« fragte die Frau hinter dem Empfangstresen des Motels.
»Eigentlich bin ich nur auf der Suche nach meinen Freunden«, antwortete Janos. »Haben Sie die beiden ...?«
»Will denn heute niemand mehr ein Zimmer mieten?«
Janos legte den Kopf schief. »Haben Sie meine Freunde gesehen? Einen Weißen und ein junges schwarzes Mädchen?«
Die Frau neigte ebenfalls den Kopf. »Das sind Ihre Freunde?«
»Ja. Das sind meine Freunde.«
Die Frau schwieg.
»Es sind Arbeitskollegen. Wir wollten zusammen fliegen, aber ich wurde aufgehalten und ...« Janos unterbrach sich. »Hören Sie, ich bin heute morgen um vier Uhr aufgestanden, um mein Flugzeug zu kriegen! Sind sie oben oder nicht? Wir haben einen großen Tag vor uns.«
»Tut mir leid«, erwiderte die Frau. »Sie haben schon ausgecheckt.«
Janos nickte. Er hatte es sich gedacht, aber er mußte sichergehen. »Sie sind also schon da oben?« Er deutete auf das große, kegelförmige Gebäude auf dem Hügelkamm.
»Ich glaube, zuerst wollten sie zum Mount Rushmo-re.«
Janos mußte unwillkürlich grinsen. Netter Versuch, Harris.
»Sie sind vor über einer Stunde abgefahren«, fuhr die Frau fort. »Wenn Sie sich beeilen, holen Sie die beiden bestimmt noch ein.«
Janos nickte, während er zur Tür ging. »Ja. Das schaffe ich ganz sicher.«
42. KAPITEL
Ich marschiere seit zehn Minuten knöcheltief durch den Schlamm, als der Lichtkegel meiner Lampe auf eine verrostete Metalltür fällt. Vermutlich ist es nur eine Wartungstür für die Lok, die über die Gleise fährt. Trotzdem halte ich mich am Rand des Stollens, wo der Schlamm am flachsten ist. Die Wände schillern in einem Muster von Farben. Braune, graue, rostrote, moosig grüne und sogar einige weiße Adern verlaufen im Zickzack hindurch. Vor mir gleitet der Lichtkegel über die schroffen Stollenwände. Er durchschneidet die Finsternis wie ein Suchscheinwerfer einen dunklen Wald. Mehr habe ich nicht. Eine Kerze in einem Meer aus stiller Dunkelheit.
Was ich sehen kann, macht alles noch schlimmer. Vor mir an der Stollendecke hängen die rostigsten Rohre, die mir je untergekommen sind. Das Wasser hat sie glattgeschliffen. Genauso sieht es an den Wänden und der Dek-ke aus. In dieser Tiefe ist die Luft so heiß und feucht, daß die Wände selbst schwitzen. Genau wie ich. Jede Minute fegt eine neue Hitzewelle durch den Tunnel, verschwindet und kommt wieder. An ... und aus. An ... und aus. Fast, als würde die Mine atmen. So tief unter der Erde sucht sich der Luftdruck seinen Weg durch das nächstgelegene Loch, und als ein weiterer gewaltiger Rülpser von Hitze durch den Schacht fegt, habe ich das Gefühl, als stünde ich im Maul der Mine auf ihrer Zunge.
Dann trifft mich die nächste Hitzewelle. Sie ist noch heißer als zuvor. Ich spüre sie an Armen und Beinen und rolle die Ärmel auf, doch das bringt auch nichts. Ich habe mich geirrt, das ist keine Sauna, sondern der reinste Backofen.
Meine Atmung wird schneller. Ich hoffe, daß es nur an der Hitze liegt. Ein Blick auf den Sauerstoffdetektor belehrt mich eines Besseren. Achtzehn Komma acht Prozent. Auf der Rückseite steht, man braucht sechzehn Prozent, um zu überleben. Nach den Fußspuren vor mir zu urteilen, sind wenigstens zwei andere Menschen das Wagnis eingegangen. Das genügt mir.
Ich wische mir den Schweiß vom Gesicht und folge in den nächsten zehn Minuten den geschwungenen Gleisen durch den Stollen. Im
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