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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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Käfig hält.«
    »Käfig hält«, wiederholt sie.
    Ich hebe das Sicherheitstor und drücke gegen die Außentür. Wieder weht ein heißer Wind durch die Öffnung, aber diesmal ist die Hitze beinahe unerträglich. Meine Augen brennen, bevor ich sie schließen kann.
    »Was ... was ist los?« Nach Vivs Stimme zu urteilen, krabbelt sie auf allen vieren aus dem Korb.
    Ich trete durch den Wasserfall, der über der Tür auf den staubigen Boden rinnt. Schlagartig hört auch der Wind auf.
    Ich blinzle mir den Staub von den Wimpern und drehe mich zu Viv um. Sie ist immer noch nicht aufgestanden. Sie hockt auf einer hölzernen Planke vor dem Korb und starrt zur Decke hoch. Ich folge ihrem Blick. Die Decke der Höhle steigt an ihrem höchsten Punkt etwa zehn Meter in die Höhe. Von ihrem Mittelpunkt baumelt eine Industrielampe herunter. »Was siehst du ... ?«
    Oh.
    »Ist es dafür gedacht, wofür ich denke, daß es gedacht ist?« Viv nimmt den Blick nicht von dem Punkt an der Decke.
    Direkt über uns läuft ein langer schwarzer Riß durch die Decke, wie eine tiefe Narbe, die jeden Moment aufzureißen droht. Das einzige, was sie zusammenhält und die Decke daran hindert, zu platzen, sind drei Meter lange Platten aus rostigem Eisen, die wie Metallnähte über den Riß genietet sind. Aus dieser Entfernung sehen sie aus wie die Gurte eines alten Gehhilfe-Sets, in dessen runde Löcher die Bolzen genietet sind.
    »Das ist sicher nur eine Vorsichtsmaßnahme«, sage ich. »In dieser Tiefe und mit all dem Druck von oben wollen sie natürlich keinen Einsturz riskieren. Es ist nur ein einfacher Riß.«
    Sie reagiert zwar mit einem Nicken auf meine Erklärung, rührt sich jedoch keinen Zentimeter von ihrer Sitzplanke.
    Vor mir wird die Decke niedriger, und die Wände werden schmaler. Sie bilden ein richtiges Wurmloch. Es ist höchstens drei Meter hoch und gerade breit genug für ein winziges Wägelchen. Ich sehe die uralten Metallgleise auf dem Boden. Sie liegen enger zusammen als normale Gleise und sind in sehr gutem Zustand. Jetzt wird mir auch klar, wie die Arbeiter hier ihre Ausrüstung durch die Mine schaffen.
    Die Zuggleise verlaufen geradeaus und teilen sich dann wie die Speichen an einem Rad. Sie führen in ein Dutzend Stollen in ein Dutzend verschiedene Richtungen. Wie die Hauptschlagader in einem lebendigen Organismus mit Dutzenden von Verästelungen, die das Blut von und zum Herzen transportieren.
    Ich suche jede ab, um herauszufinden, ob es Unterschiede gibt. Der Schlamm auf den meisten Gleisen ist alt und trocken, nur in dem Stollen ganz links ist er naß. Ein Stiefelabdruck verrät mir, daß die Gruppe, die vor uns eingefahren ist, hier war. Es ist zwar keine gute Spur, aber die einzige, die wir haben.
    »Fertig?« rufe ich Viv zu.
    Sie rührt sich nicht.
    »Komm schon!« rufe ich.
    Sie reagiert überhaupt nicht.
    »Viv, kommst du oder nicht?«
    Sie schüttelt den Kopf und weicht meinem Blick aus. »Tut mir leid, Harris, das schaffe ich nicht...«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich schaffe es einfach nicht«, wiederholt sie und zieht die Knie ans Kinn. »Ich ... kann ... nicht.«
    »Du hast gesagt, du wärst in Ordnung.«
    »Nein, ich habe gesagt, ich wollte nicht allein oben bleiben.« Endlich sieht sie mich an. Ihr Gesicht ist noch feuchter als vorher, und das liegt nicht nur an der Hitze.
    Viv wirft einen Blick zur Decke empor und schaut dann auf die Trage, die an der Wand lehnt. Darüber ist ein Metallkasten genietet, und auf dem Schild steht: Im Falle einer ernsthaften Verletzung öffnen Sie den Kasten und entnehmen Sie die Decke. Bei den augenblicklichen Temperaturen, die über fünfundfünfzig Grad liegen, ist eine Decke das letzte, was wir brauchen. Trotzdem kann Viv ihren Blick nicht davon abwenden.
    »Du mußt gehen«, stößt sie hervor.
    »Nein ... Wenn wir uns trennen ...«
    »Bitte, Harris«, sagt sie. »Geh einfach ...«
    »Viv, ich bin nicht der einzige, der glaubt, daß du es schaffst. Deine Mom ...«
    »Bitte komm mir nicht mit ihr ... nicht jetzt!«
    »Wenn du ...«
    »Geh endlich«, wiederholt sie und kämpft gegen ihre Tränen. »Finde raus, was sie vorhaben.«
    Nach allem, was wir in den letzten achtundvierzig Stunden durchgemacht haben, erlebe ich Viv Parker zum ersten Mal wie gelähmt. Ich weiß nicht, ob es an der Klaustrophobie liegt, ob die Hyperventilation im Fahrstuhl oder nur das Erleben ihrer eigenen Grenzen dafür verantwortlich ist. Das kann einem die schlimmsten Schläge

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