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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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bedeutet.«
    » D’Espinosa auf Portugiesisch«, sagt Bento und nickt. »›Von einem dornigen Ort.‹«
    »Nun, die Art Ihrer Fragen dürfte sich für die orthodoxen, doktrinären Lehrmeister durchaus als dornig erweisen.« Van den Enden kräuselt die Lippen zu einem verschmitzten Lächeln. »Sagen Sie mir, junger Mann, sind Sie ein Stachel im Fleische Ihrer Lehrer?«
    Bento lächelt ebenfalls: »Ja, früher einmal war das so. Doch nun habe ich mich von meinen Lehrern befreit. Ich beschränke meine Stacheligkeit auf mein Kassenbuch. Meine Art von Fragen ist in einer abergläubischen Gemeinde nicht willkommen.«
    »Aberglaube und Vernunft waren noch nie gute Gefährten. Aber vielleicht kann ich Sie mit ähnlich gesinnten Weggefährten bekannt machen. Hier zum Beispiel ist ein Mann, den Sie kennen lernen sollten.«
    Van den Enden greift in seine Tasche und zieht ein altes Buch heraus, das er Bento reicht. »Der Mann heißt Aristoteles, und dieses Buch enthält seine Erkundung Ihrer Art von Fragen. Auch er betrachtete die Seele und das Streben nach einer Vervollkommnung unserer Kräfte der Vernunft als oberstes und einzigartiges menschliches Vorhaben. Mit der Nikomachischen Ethik von Aristoteles sollten Sie sich als Nächstes befassen.«
    Bento hält das Buch an seine Nase und atmet den Duft ein. Dann schlägt er es auf. »Ich weiß von diesem Mann und würde ihn gern kennen lernen. Aber wir könnten uns leider nicht unterhalten. Ich kann kein Griechisch.«
    »Dann sollte Ihre Ausbildung auch Griechisch umfassen. Natürlich erst, nachdem Sie Latein beherrschen. Wie schade, dass Ihre gelehrten Rabbiner so wenig über die Klassiker wissen. So eng begrenzt ist ihr Horizont, dass sie oft vergessen, dass Nichtjuden sich ebenfalls mit der Suche nach Weisheit beschäftigen.«
    Bento antwortet augenblicklich. Wie immer erinnert er sich seiner jüdischen Herkunft, wenn Juden angegriffen werden. »Das stimmt nicht. Rabbi Menassch und auch Rabbi Mortera haben Aristoteles in der lateinischen Übersetzung gelesen. Und Maimonides hielt Aristoteles für den bedeutendsten aller Philosophen.«
    Van den Enden streckt sich. »Gut gesagt, junger Mann, gut gesagt. Mit dieser Antwort haben Sie die Aufnahmeprüfung bestanden. Eine solche Loyalität gegenüber alten Lehrern veranlasst mich, Sie formell zum Studium an meiner Schule einzuladen. Es ist nun an der Zeit, dass Sie nicht nur von Aristoteles wissen, sondern ihn auch selbst kennen lernen. Ich kann ihn Ihrem Verständnis zuführen und auch die Welt seiner Gefährten, wie Sokrates, Platon und viele andere.«
    »Bleibt nur die Frage der Studiengebühren. Wie ich sagte, laufen die Geschäfte schlecht.«
    »Wir werden uns bestimmt einigen. Zum einen werden wir sehen, was für eine Art Hebräischlehrer Sie sind. Meine Tochter und ich möchten unser Hebräisch verbessern. Und vielleicht entdecken wir ja auch andere Möglichkeiten von Tauschgeschäften. Für den Augenblick schlage ich vor, dass Sie zu meinem Wein und den Rosinen – aber nicht diesen verhutzelten da – noch ein Kilogramm Mandeln dazugeben. Lassen Sie mich die prallen Rosinen auf dem oberen Regal probieren.«
    So überwältigend war diese Erinnerung an den Beginn seines neuen Lebens, dass Bento, in Tagträumen schwelgend, mehrere Straßen über sein Ziel hinauslief. Er schreckte hoch, orientierte sich schnell und ging den selben Weg zurück zu van den Endens Haus, einem schmalen, dreistöckigen Gebäude an der Singel. Als er zur obersten Etage hinaufstieg, wo der Unterricht stattfand, blieb Bento wie immer auf jedem Treppenabsatz stehen und spähte in die Wohnräume. Der aufwendig geflieste Fußboden des ersten Treppenabsatzes mit seiner Umrandung aus blauen und weißen Delfter Windmühlenfliesen interessierte ihn wenig.
    Im ersten Stockwerk erinnerte ihn der Geruch von Sauerkraut und das beißende Aroma von Curry daran, dass er wieder einmal vergessen hatte, an das Mittag- oder Abendessen zu denken.
    Im zweiten Stockwerk hielt er sich nicht damit auf, die glänzende Harfe und die Tapeten an den Wänden zu bewundern, sondern erfreute sich stattdessen an den vielen Ölgemälden, die dicht an dicht an den Wänden hingen. Mehrere Minuten lang studierte Bento ein kleines Gemälde mit einem gestrandeten Schiff. Aufmerksam registrierte er die Perspektive, die von den großen Gestalten am Strand und den beiden kleineren im Boot gebildet wurde – die eine stand im Vorschiff und die andere, noch kleiner, saß am Bug. Er prägte sich

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