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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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eröffnete sich mir eine andere Facette des Lebens, ein geistiges Leben, das ich nicht voll auslebe. Es beruhigt mich sehr zu wissen, dass es Sie gibt und dass Sie Ihre Forschungen weiterhin mit mir teilen. Meine Welt ist kleiner, und ich kann jetzt schon ihre zukünftige Gestalt erkennen. Meine Mutter und meine Schwester haben eine Frau für mich ausgesucht, ein sechzehnjähriges Mädchen aus unserem Dorf in Portugal, und wir werden in wenigen Wochen heiraten. Ich bin mit der Auswahl einverstanden – sie ist anmutig, umgänglich und zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Sie wird mir eine gute Frau sein.«
    »Werden Sie mit ihr über alle Ihre Interessen sprechen können?«
    »Ich glaube schon. Auch sie ist voller Wissensdurst. Wie die meisten Mädchen aus unserem Dorf kann sie nicht einmal lesen und schreiben. Ich habe begonnen, sie auszubilden.«
    »Hoffentlich nicht zu viel Ausbildung. So etwas birgt Gefahren. Aber sagen Sie mir, Franco, spricht man in der Gemeinde über mich?«
    »Bis zu diesem Vorfall hörte ich nichts dergleichen. Es ist, als habe man der Gemeinde nicht nur befohlen, Ihnen aus dem Weg zu gehen, sondern ihr auch verboten, Ihren Namen auszusprechen. Ich höre nie, dass jemand Ihren Namen ausspräche, obwohl ich natürlich nicht weiß, was hinter verschlossenen Türen gesagt wird. Vielleicht ist es nur meine Phantasie, aber ich glaube wirklich, dass Ihr Geist über der Gemeinde schwebt und vieles beeinflusst. Zum Beispiel sind unsere Hebräisch-Übungsstunden außerordentlich vollgepackt und lassen es nicht zu, irgendwelche Zweifel zu äußern. Es ist, als wollten die Rabbiner auf jeden Fall vermeiden, dass ein zweiter Spinoza geboren wird.«
    Bento senkte den Kopf.
    »Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen, Bento. Das war nicht freundlich von mir.«
    »Sie können nur unfreundlich sein, wenn Sie die Wahrheit vor mir verbergen.«
    Ein leises Klopfen an der Tür und dann Clara Marias Stimme: »Bento.«
    Bento öffnete die Tür.
    »Bento, ich muss bald fort. Wie lange bleibt Ihr Freund noch?«
    Bento warf Franco einen fragenden Blick zu, der ihm zuflüsterte, dass er bald gehen müsse, da er keinen triftigen Grund habe, sich länger von der Arbeit zu entfernen. Bento antwortete: »Clara Maria, geben Sie uns nur noch ein paar Minuten, bitte.«
    »Ich werde im Musikzimmer warten.« Clara Maria schloss leise die Tür.
    »Wer ist sie, Bento?«
    »Die Tochter des Direktors und meine Lehrerin. Sie unterrichtet mich in Latein und auch in Griechisch.«
    »Ihre Lehrerin ? Unmöglich. Wie alt ist sie?«
    »Ungefähr sechzehn. Sie begann, mich zu unterrichten, als sie dreizehn war. Sie ist ein Wunderkind. Ganz anders als andere Mädchen.«
    »Sie scheint Ihnen in Liebe und Zärtlichkeit zugetan zu sein.«
    »Ja, das stimmt, und ich erwidere diese Gefühle, aber …« Bento zögerte: Er war es nicht gewohnt, seine intimsten Gefühle zu äußern. »Aber heute hat sie meine Not deutlich verschlimmert, als sie meinem Freund und Klassenkameraden sogar noch mehr Zärtlichkeit entgegenbrachte.«
    »Ach, Eifersucht. Sie kann wirklich schmerzen. Es tut mir so leid, Bento. Aber sprachen Sie letztes Mal nicht davon, dass Sie ein Leben in Einsamkeit anstrebten und die Idee einer Gefährtin aufgäben? Sie schienen mir auf ein Leben allein so festgelegt zu sein oder sich damit abgefunden zu haben.«
    »Festgelegt und damit abgefunden. Ich habe mich absolut auf ein geistiges Leben festgelegt und weiß, dass ich niemals die Verantwortung für eine Familie auf mich nehmen kann. Und ich weiß auch, dass es schon von Gesetzes wegen unmöglich ist, eine Ehe mit einer Christin oder Jüdin einzugehen. Und Clara Maria ist katholisch. Und noch dazu eine abergläubische Katholikin.«
    »Es bereitet Ihnen also Schwierigkeiten, das aufzugeben, was Sie in Wahrheit nicht wollen und nicht haben können?«
    »Richtig! Es gefällt mir, wie zielsicher Sie mitten in den Kern meiner Absurdität hineinbohren.«
    »Und Sie sagen, dass Sie sie lieben? Und was ist mit Ihrem guten Freund, den sie vorzieht?«
    »Bis zum heutigen Tag liebte ich auch ihn. Er half mir nach dem Cherem beim Umzug; er rettete mir letzte Nacht das Leben. Er ist ein guter Mensch. Und er beabsichtigt, Arzt zu werden.«
    »Aber Sie wollen, dass sie Sie begehrt statt ihn, obwohl Sie wissen, dass Sie damit alle drei unglücklich machen würden.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Und Ihre Verzweiflung, sie nicht haben zu können, wird umso größer sein, je mehr Sie sie

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