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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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begehren.«
    »Ja, das kann ich nicht leugnen.«
    »Aber Sie lieben sie und möchten, dass sie glücklich ist. Und wenn sie leidet, werden dann auch Sie leiden?«
    »Ja, ja und ja. Alles, was Sie sagen, ist richtig.«
    »Und eine letzte Frage: Sie sagen, sie sei eine abergläubische Katholikin? Und Katholiken lieben Rituale und Wunder. Was hält sie also von Ihren Ideen von Gott als Natur, von Ihrer Ablehnung von Ritualen und Aberglauben?«
    »Über diese Gedanken würde ich niemals mit ihr sprechen.«
    »Weil sie sie zurückweisen würde und Sie vielleicht gleich mit dazu?«
    Bento nickte. »Jedes Wort, das Sie sagen, ist wahr, Franco. Ich habe mich so bemüht, habe so viel aufgegeben, um frei zu sein, und nun habe ich meine Freiheit aufgegeben und mich von Clara Maria bezaubern lassen. Wenn ich an sie denke, bin ich ganz und gar nicht in der Lage, andere, erhabenere Gedanken zu denken. Insoweit ist es offensichtlich, dass ich nicht mein eigener Herr, sondern von Leidenschaft versklavt bin. Obwohl der Verstand mir zeigt, was besser ist, bin ich gezwungen, dem zu folgen, was schlechter ist.«
    »Das ist eine sehr alte Geschichte, Bento. Wir werden zeitlebens von der Liebe versklavt. Wie wollen Sie sich befreien?«
    »Ich kann nur frei sein, wenn ich meine Verbindungen zu sinnlichem Vergnügen, Reichtum und Ruhm vollkommen durchtrenne. Wenn ich den Verstand nicht achte, werde ich immer der Sklave meiner Leidenschaft sein.«
    »Und doch, Bento«, sagte Franco, stand auf und machte sich zum Gehen bereit, »wir wissen, dass der Verstand der Leidenschaft nichts entgegenzusetzen hat.«
    »Ja, eine Emotion kann nur von einer noch stärkeren Emotion besiegt werden. Meine Aufgabe ist klar: Ich muss lernen, den Verstand zu einer Leidenschaft umzuwandeln.«
    » Verstand zu einer Leidenschaft umwandeln «, flüsterte Franco, als sie zum Musikzimmer gingen, in dem Clara Maria wartete. »Eine gewaltige Aufgabe. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, hoffe ich, von Ihren Fortschritten zu hören.«

26
    BERLIN, 26. MÄRZ 1923
    »Mit baltischen Familien habe ich vielfach Schwierigkeiten gehabt. Sie haben so etwas Negatives und grundsätzlich Überlegenes, wie ich das in meinem Leben sonst nicht kennengelernt habe, vor allem die Fähigkeit, alles zu können.«
    Adolf Hitler über Alfred Rosenberg
    Lieber Friedrich,
    mit Bedauern muss ich meinen bevorstehenden Besuch absagen. Obwohl es jetzt schon das dritte Mal ist, bitte ich Dich, mich nicht fallenzulassen. Mein Wunsch, Dich zu konsultieren, ist wirklich ernst gemeint, aber meine Zeit wird zunehmend in Anspruch genommen. Vergangene Woche forderte Hitler mich auf, Dietrich Eckart als Herausgeber des Völkischen Beobachters nachzufolgen. Hitler und ich sind uns jetzt näher – er ist mit meiner Veröffentlichung der Protokolle der Weisen von Zion sehr zufrieden. Seit einem Monat ist der VB dank der Unterstützung eines generösen Spenders nun eine Tageszeitung und hat mittlerweile eine Auflage von 33000 (übrigens ist die Zeitung jetzt auch an den Zeitungsständen in Berlin erhältlich).
    Tagtäglich gibt es von neuen Krisen zu berichten. Tagtäglich hängt die Zukunft Deutschlands buchstäblich in der Schwebe . So müssen wir im Augenblick beispielsweise entscheiden, wie wir mit den Franzosen umgehen, die in das Ruhrgebiet einmarschiert sind, um uns ihre kriminellen Reparationszahlungen abzupressen. Und tagtäglich bringt eine galoppierende Inflation unser ganzes Land an den Rand des Abgrunds. Du wirst es nicht glauben, aber ein US-Dollar, der noch vor einem Jahr vierhundert Mark wert war, ist heute früh bereits zwanzigtausend Mark wert. Du wirst es nicht glauben, aber die Arbeitgeber in München haben angefangen, ihren Arbeitern den Lohn drei Mal täglich auszuzahlen. Ist das in Berlin auch so? Die Frau begleitet ihren Mann zur Arbeit, dort wird ihnen in der Frühe der Lohn ausgezahlt, und sie rennt dann los und kauft fürs Frühstück ein, bevor die Preise steigen. Zu Mittag kommt sie wieder, holt den Lohn ab (der jetzt höher ist) und muss sich wieder sputen, um fürs Mittagessen einzukaufen. Für hunderttausend Mark, für die sie am Vortag noch vier Würste bekam, bekommt sie jetzt nur noch drei. Das Gleiche wiederholt sich dann ein drittes Mal zum Ende des Tages, wenn die Preise wieder gestiegen sind. Sobald dann die Märkte schließen, ist das Geld sicher, bis am nächsten Vormittag die Börse wieder öffnet. Es ist ein Skandal, eine Tragödie.
    Und es wird noch schlimmer. Ich

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