Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
Vom Netzwerk:
sagst, dass deine Probleme gänzlich von anderen Menschen hervorgerufen werden, habe ich keinen anderen therapeutischen Hebel, als dich nur zu beruhigen und dir zu helfen, Beleidigungen tolerieren zu lernen, oder dir vorzuschlagen, andere Weggefährten zu finden.« Friedrich versuchte es mit einer anderen Taktik, die fast immer Früchte trug: »Hör zu, lass es mich so versuchen: Zu welchem Prozentsatz, glaubst du, sind die Probleme, mit denen du dich konfrontiert siehst, von anderen verursacht? Sind es zwanzig, fünfzig oder neunzig Prozent?«
    »Ich wüsste nicht, wie ich das berechnen sollte.«
    »Natürlich, aber ich erwarte auch keine präzise Antwort. Ich möchte nur, dass du es ins Blaue hinein versuchst. Verrat es mir, Alfred.«
    »Na gut, dann sagen wir neunzig Prozent.«
    »Gut. Und das bedeutet demnach, dass du selbst zehn Prozent dieser ärgerlichen Vorfälle, die dir so zusetzen, zu verantworten hast. Damit hätten wir schon einmal eine Richtung. Du und ich müssen diese zehn Prozent erforschen und herausfinden, ob wir sie identifizieren und dann ändern können. Gehst du mit mir konform, Alfred?«
    »Ich spüre jetzt wieder dieses leicht benommene Gefühl, das ich immer bekomme, wenn ich mich mit dir unterhalte.«
    »Das ist nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Der Vorgang der Veränderung fühlt sich oft destabilisierend an. Nun aber zurück zur Arbeit. Untersuchen wir diese zehn Prozent doch einmal. Ich möchte wissen, welche Rolle du dabei spielst, dass dich andere so beleidigend behandeln.«
    »Darüber sprach ich bereits. Ich sagte dir, dass es der Neid des gewöhnlichen Menschen auf Menschen mit überschäumender Vorstellungskraft und außergewöhnlichem Intellekt ist.«
    »Dass dich Menschen wegen deiner Überlegenheit schlecht behandeln, gehört in die Neunzig-Prozent-Kategorie. Konzentrieren wir uns weiter auf die zehn Prozent – deinen Anteil daran. Du sagst, du fühlst dich ausgeschlossen, ungeliebt, als Opfer von Gerüchten. Was trägst du dazu bei, dass dies passiert?«
    »Ich habe nichts unversucht gelassen, Hitler davon zu überzeugen, sich der Spreu, der Kleingeister, zu entledigen – der Görings, der Streichers, der Himmlers, der Röhms –, aber ohne Erfolg.«
    »Aber Alfred, du sprichst von der Überlegenheit der arischen Blutlinie, und dennoch werden genau diese Männer, wenn Hitler sich durchsetzt, die arischen Machthaber sein. Wie ist das möglich, wenn sie Vertreter der arischen Blutlinie sind? Sie werden doch bestimmt irgendwelche Stärken, irgendwelche Tugenden haben?«
    »Sie müssen ausgebildet und aufgeklärt werden. Das Buch, an dem ich gerade arbeite, wird die Ausbildung zur Verfügung stellen, die unsere zukünftigen arischen Führer brauchen werden. Wenn Hitler mir nur den Rücken stärken würde, könnte ich ihr Denken verbessern und läutern.«
    Friedrich war wie benommen. Wie war es möglich, dass er die Macht von Alfreds Widerstand so sehr unterschätzt hatte? Er versuchte es noch einmal. »Letztes Mal, als wir uns trafen, sprachst du davon, dass andere in deinem Büro dich als ›Sphinx‹ bezeichneten und dass auch Dietrich Eckarts Kritik dich dazu bewogen hätte, dein Verhalten in wesentlichen Punkten ändern zu wollen. Weißt du noch?«
    »Schnee von gestern. Diese Geschichte und der Einfluss von Dietrich Eckart sind vorbei. Er ist vor mehreren Monaten gestorben.«
    »Das tut mir leid zu hören. Ein großer Verlust für dich?«
    »Ja und nein. Ich verdanke ihm viel, aber unsere Beziehung verschlechterte sich, als Hitler befand, Eckart sei zu krank und zu schwach, um weiter als Herausgeber des VB zu arbeiten, und mich an seine Stelle setzte. Es war nicht meine Schuld, aber Eckart machte mich dafür verantwortlich. Obwohl ich alles versuchte, konnte ich ihn nicht davon überzeugen, dass ich nicht gegen ihn intrigiert hatte. Erst kurz vor seinem Tod schwächte sich sein Groll auf mich ab. Bei meinem letzten Besuch winkte er mich an sein Bett und flüsterte mir ins Ohr: ›Folge Hitler. Er wird der Tänzer sein. Aber vergiss nicht, dass ich derjenige bin, der die Musik spielt.‹ Nach seinem Tod hat Hitler ihn den ›Polarstern‹ der Nazi-Bewegung genannt. Aber genau wie bei mir hat Hitler ihm nie zugestanden, dass er ihm etwas Besonderes beigebracht hätte.«
    Friedrichs Energie schwand zusehends, aber er versuchte es trotzdem weiter: »Gehen wir noch einmal zu dem Punkt zurück, den ich vorhin angesprochen habe: Als du für Eckart gearbeitet hast, sagtest du

Weitere Kostenlose Bücher