Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Ausgezeichneten am 28. August, dem Geburtstage Goethes, im Rahmen einer großen Feierlichkeit in Frankfurt a.M. überreicht werden. Die Preissumme beträgt 10000 Mark. – Daß von namhaften Gelehrten die ganze Psychoanalyse des Juden Sigmund Freud als höchst unwissenschaftliches Geschwafel und Geschwätz abgelehnt wird, weiß man. Der große Antisemit Goethe würde sich im Grabe umdrehen, wenn er erführe, daß ein Jude einen Preis bekommt, der seinen Namen trägt.«
Alfred Rosenberg im Völkischen Beobachter von 1930
»Mein Führer, bitte sehen Sie sich diesen Brief über Reichsleiter Rosenberg von Dr. Gebhardt, dem Chefarzt der HohenlychenKlinik, an.«
Hitler nahm den Brief von Rudolf Hess entgegen, überflog ihn und achtete besonders auf die Passagen, die Hess markiert hatte.
»Auch mir selbst ist es nicht geglückt, ihm im wesentlichen den Anschluss an mein Haus, an die Sportkameradschaft in Hohenlychen usw. zu vermitteln … Ich habe vor allem als Arzt den Eindruck, dass die verzögerte Heilung … weitgehend in dieser psychischen Einsamkeit begründet liegt … Trotz all meiner, wie ich sagen darf, taktvollen Bemühungen, einen gewissen Uebergang zu schaffen, missglückt dies … Der Reichsleiter bei seinem geistigen Format, in seiner einmaligen politischen Stellung ist … nur dann freizubekommen, wenn er zumindest mit Gleichberechtigten aus dem gleichen geistigen Wissen heraus sich freireden kann und dadurch wieder die Ruhe und Geschlossenheit zum Handeln und so auch zur Lebensführung im Alltag findet.
Vorige Woche erkundigte ich mich, ob er seine intimsten Gedanken jemals irgendeinem Menschen rückhaltlos mitgeteilt hätte. Vollkommen unerwartet antwortete er und nannte einen Friedrich Pfister, einen Freund aus seinen Kindertagen in Estland. Danach erfuhr ich, dass dieser Friedrich Pfister, mittlerweile Herr Oberleutnant Pfister, ein in Berlin stationierter, angesehener Militärarzt ist. Dürfte ich darum bitten, dass ihm augenblicklich befohlen wird, seine Tätigkeit als Arzt von Reichsleiter Rosenberg hier bei uns aufzunehmen?«
Hitler gab Hess den Brief zurück. »In diesem Brief steht nichts, was uns überrascht, aber sorgen Sie dafür, dass ihn sonst niemand zu Gesicht bekommt. Und geben Sie den Befehl aus, Herrn Oberleutnant Pfister sofort hierher zu überstellen. Rosenberg ist unerträglich. Das war er schon immer. Das wissen wir alle. Aber er ist loyal, und die Partei hat noch immer Bedarf an seinen Fähigkeiten.«
Die Hohenlychen-Klinik, einhundert Kilometer nördlich von Berlin gelegen, war von Himmler für die Betreuung leidender NS-Führer und hochrangiger SS-Offiziere ins Leben gerufen worden. Schon 1935 war Alfred dort wegen einer agitierten Depression drei Monate lang stationär behandelt worden. Und nun, 1936, zeigte er die gleichen Symptome, die ihm seine Arbeit unmöglich machten: Müdigkeit, Agitation und Depressionen. Er konnte sich nicht auf seine Arbeit als Herausgeber des Beobachters konzentrieren, hatte sich mehrere Wochen vollkommen in sich selbst zurückgezogen und sprach auch kaum mit seiner Frau und seiner Tochter.
Sobald er stationär aufgenommen worden war, hatte er sich einer gründlichen Untersuchung durch Dr. Gebhardt unterzogen, sich aber hartnäckig geweigert, Fragen zu seinem Geisteszustand oder seinem Privatleben zu beantworten. Karl Gebhardt war Himmlers Leibarzt und guter Freund und behandelte auch die anderen NS-Führer (bis auf Hitler, dessen eigener Leibarzt Theodor Morell immer für ihn greifbar war). Alfred zweifelte nicht daran, dass jedes Wort, das er zu Gebhardt sagte, bald an die ganze Brut seiner NS-Feinde hinausposaunt würde. Aus dem gleichen Grund wollte Alfred auch mit keinem Psychiater sprechen. Mattgesetzt, des schweigsamen Herumsitzens mit seinem Patienten müde, der ihn nur feindselig anstarrte, sehnte Dr. Gebhardt sich danach, seinen irritierenden Patienten an einen anderen Arzt zu überweisen, und gab sich größte Mühe, diesen sorgfältig formulierten Brief an Hitler zu verfassen, der aus Gründen, die niemand verstand, Rosenberg schätzte und sich von Zeit zu Zeit nach seinem Befinden erkundigte.
Dr. Gebhardt hatte keine psychologische Ausbildung und auch keine Neigung zur Psychologie, erkannte aber sofort Hinweise auf eine erhebliche Missstimmung in der Führungsriege – die nicht enden wollende Rivalität, die gegenseitige Missachtung, die erbarmungslosen Intrigen, den Konkurrenzkampf um Macht und Hitlers Anerkennung. Sie waren in
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