Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Ruhms oder ein Leben in der Politik? Nehmt Reißaus davor. Und Reichtum? Meidet ihn! Er ist eine Falle. Je mehr wir erlangen, desto mehr begehren wir, und desto tiefer wird unsere Traurigkeit, wenn unsere Sehnsucht nicht erfüllt wird. Ihr jungen Leute, hört auf mich: Wenn ihr Glückseligkeit begehrt, verschwendet euer Leben nicht damit, um das zu kämpfen, was ihr gar nicht braucht.
Nun«, fuhr van den Enden fort und sprach mit normaler Stimme weiter, »merken Sie sich den Unterschied zwischen Epikur und seinen Vorgängern. Epikur glaubt, das höchste Gut bestehe darin, ataraxia durch Freiheit von aller Furcht zu erlangen. Irgendwelche Kommentare und Fragen dazu? Ah, ja, Herr Spinoza. Eine Frage?«
»Schlägt Epikur nur eine negative Herangehensweise vor? Ich meine, sagt er, dass es nur der Beseitigung aller Drangsal bedarf und dass der Mensch ohne belanglose Sorgen perfekt ist, naturgemäß gut, glücklich? Gibt es keine positiven Attribute, nach denen wir streben sollten?«
»Ausgezeichnete Frage. Und die Literatur, die ich ausgewählt habe, wird seine Antwort erhellen. Glücklicherweise werden Sie, Herr Spinoza, nicht darauf warten müssen, bis Sie Ihr Griechisch perfektioniert haben, denn Sie können die Gedanken Epikurs auf Latein lesen. Der römische Dichter Lucretius, der etwa zweihundert Jahre nach Epikur lebte, schrieb seine Gedanken auf. Ich werde Ihnen die entsprechenden Seiten baldmöglich heraussuchen. Heute wollte ich nur den zentralen Gedanken berühren, der ihn von anderen unterscheidet, dass nämlich das gute Leben aus der Beseitigung von Furcht besteht. Aber selbst ein kleiner Einblick in sein Werk wird zeigen, dass Epikur viel komplexer ist. Er ermuntert zu Erkenntnis, zu Freundschaft und zu einem tugendhaften, gemäßigten Leben. Ja. Dirk, Sie haben eine Frage? Mir scheint, meine Lateinschüler wollen mehr über die Griechen wissen als meine Griechischschüler.«
»In Hamburg«, sagte Dirk, »kenne ich ein Wirtshaus, das ›Die Epikurischen Wonnen‹ heißt. Demnach gehören guter Wein und gutes Bier also auch zu einem guten Leben?«
»Auf diese Frage habe ich gewartet – sie musste kommen. Viele verwenden seinen Namen fälschlicherweise, um auf gutes Essen oder guten Wein hinzuweisen. Wenn Epikur das wüsste, wäre er erstaunt. Ich glaube, dass dieser eigenartige Irrtum von seinem strikten Materialismus herrührt. Er glaubte, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, und da demnach dieses Leben alles ist, was es gibt, sollten wir nach weltlichem Glück streben. Aber unterliegen Sie nicht dem Irrtum, daraus zu folgern, Epikur schlüge vor, wir sollten unser Leben mit sinnlichen oder lustvollen Handlungen verbringen. Ganz und gar nicht – er lebte und verfocht ein fast asketisches Leben. Ich wiederhole: Er glaubte, dass wir ein Maximum an Lebensfreude am besten durch eine Minimierung von Schmerz erlangen können. Eine seiner wichtigsten Schlussfolgerungen war, dass die Furcht vor dem Tod eine der wichtigsten Ursachen von Schmerz ist, und er verbrachte einen großen Teil seines Lebens damit, nach philosophischen Methoden zu suchen, um die Furcht vor dem Tod zu verringern. Weitere Fragen bitte.«
»Erwähnt er den Dienst an anderen und an seiner eigenen Gemeinde, oder erwähnt er die Liebe?«, fragte Dirk.
»Eine passende Frage von einem zukünftigen Arzt. Es wird Sie interessieren zu erfahren, dass er sich selbst als medizinischen Philosophen sah, der sich der Leiden der Seele genauso annimmt, wie ein Arzt sich der Leiden des Körpers annimmt. Er sagte einmal, dass eine Philosophie, die nicht in der Lage sei, die Seele zu heilen, so wenig Wert habe wie eine Medizin, die nicht in der Lage sei, den Körper zu heilen. Ich erwähnte bereits einige der seelischen Leiden, die aus dem Streben nach Ruhm, Macht, Reichtum und sexueller Lust entstehen, aber diese waren für ihn nur zweitrangig. Der Behemoth der Ängste, der allen anderen Sorgen zugrunde liegt und der sie nährt, ist die Furcht vor dem Tod und vor dem Leben nach dem Tod. Tatsächlich ist eines der ersten Prinzipien in dem ›Katechismus‹, den seine Schüler lernen mussten, dass wir sterblich sind, dass es kein Leben nach dem Tod gibt und wir daher nach dem Tod von den Göttern nichts zu befürchten haben. Sie werden sehr bald noch mehr darüber bei Lucretius lesen, Dirk. Jetzt habe ich vergessen, was Ihre andere Frage war.«
»Zunächst«, sagte Dirk, »muss ich sagen, dass ich das Wort ›Behemoth‹ nicht kenne.«
»Gute Frage. Wer
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