Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
hier kennt dieses Wort?«
Nur Bento meldete sich.
»Herr Spinoza, klären Sie uns auf.«
»Ein Gigant, ein Riesentier«, sagte Bento. »Aus dem Hebräischen b‘hëmãh , das in der Schöpfungsgeschichte und auch bei Hiob vorkommt.«
»Hiob, ach so. Das wusste selbst ich nicht. Danke. Aber nun zurück zu Ihrer Frage, Dirk.«
»Ich fragte nach Liebe und dem Dienst an der Gemeinschaft.«
»Soviel ich weiß, war Epikur nicht verheiratet, aber er glaubte an die Ehe und an Familie für manche Menschen – für diejenigen, die zu dieser Verantwortung bereit sind. Aber die vernunftwidrige leidenschaftliche Liebe lehnte er vehement ab, da sie den Liebenden versklave und am Ende zu mehr Schmerz als Freude führe. Er sagt, dass der Liebende, sobald seine lustvolle Verliebtheit gestillt wäre, Langeweile, Eifersucht oder beides empfände. Aber er legte großes Gewicht auf eine höhere Liebe, auf die Liebe unter Freunden, welche uns in einen Zustand der Glückseligkeit versetzt. Es ist von Interesse zu wissen, dass er aufgeschlossen war und alle menschlichen Wesen gleich behandelte: Seine Schule war die einzige in Athen, die auch Frauen und Sklaven aufnahm. Aber Ihre Frage nach dem Dienst am Nächsten ist wichtig, Dirk. Er vertrat die Ansicht, dass wir ein ruhiges, zurückgezogenes Leben führen, öffentliche Verantwortung meiden, keine Ämter bekleiden und auch keine andere Art von Verantwortung übernehmen sollten, welche unsere ataraxia bedrohen könnte.«
»Ich höre nichts über Religion«, sagte Edward, ein katholischer Schüler, dessen Großvater Bischof von Antwerpen gewesen war. »Ich höre von der Liebe unter Freunden, aber nichts von der Liebe Gottes oder von Gottes Rolle in seiner Vorstellung von Glück.«
»Du hast den Finger auf einen wichtigen Punkt gelegt, Edward. Epikur wirkt auf die Leser von heute verstörend, weil seine Formel für Glück so wenig Augenmerk auf das Göttliche legt. Er glaubte, dass Glück nur aus unserem eigenen Geist entspringt, und misst unserer Beziehung zu irgendwelchen übernatürlichen Dingen keine Bedeutung zu.«
»Wollen Sie damit sagen«, fragte Edward, »dass er die Existenz Gottes leugnete?«
»Sie meinen Götter , im Plural? Denken Sie an die damalige Zeit, Edward. Es war das vierte Jahrhundert vor Christus , und die griechische Kultur war, abgesehen von der hebräischen, wie jede frühe Kultur polytheistisch«, sagte van den Enden.
Edward nickte und formulierte seine Frage um: »Leugnete Epikur das Göttliche?«
»Nein, er war zwar kühn, aber er war nicht vermessen. Er wurde sechzig Jahre nach der Hinrichtung von Sokrates geboren, der sich der Ketzerei schuldig gemacht hatte, und er wusste, dass es der Gesundheit schadete, wenn man nicht an die Götter glaubte. Er entschied sich für eine sicherere Position und erklärte, dass die Götter existierten, glückselig auf dem Olymp wohnten, sich aber um das Leben der Menschen nicht kümmerten.«
»Aber was für ein Gott ist das? Wie kann sich jemand vorstellen, dass Gott nicht möchte, dass wir nach seinem Willen leben?«, fragte Edward. »Es ist unvorstellbar, dass ein Gott, der seinen eigenen Sohn für uns opferte, nicht von uns erwartet, unser Leben auf eine bestimmte, gottgefällige Art zu führen.«
»Es gibt viele Auffassungen des Göttlichen in den verschiedensten Kulturen«, warf Bento ein.
»Aber ich weiß aus tiefster Überzeugung, dass Christus, unser Herr, uns liebt, dass er einen Platz für uns in seinem Herzen hat und eine Absicht mit uns verfolgt«, sagte Edward und richtete den Blick himmelwärts.
»Die Stärke eines Glaubens steht in keiner Beziehung zu seiner Wahrhaftigkeit«, schoss Bento zurück. »Jeder Gott hat inbrünstige und erbitterte Gläubige.«
»Meine Herren, meine Herren«, intervenierte van den Enden, »lassen Sie uns diese Diskussion verschieben, bis wir die Texte gelesen haben und beherrschen. Aber Ihnen, Edward, möchte ich sagen, dass Epikur die Götter durchaus nicht auf die leichte Schulter nahm: Er baute sie in seine Definition der ataraxia ein und mahnte uns, die Götter in unseren Herzen zu behalten, ihnen nachzueifern und sie als Vorbild für ein Leben in seliger Gelassenheit zu nehmen. Und darüber hinaus legte er seinen Jüngern ans Herz« – und hier warf van den Enden einen kurzen Blick in Bentos Richtung –, »sich zur Vermeidung von Unstimmigkeiten unbeschwert an allen Aktivitäten der Gemeinde und damit auch an religiösen Zeremonien zu beteiligen.«
Edward war
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