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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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sicherlich los.«
    Friedrich nahm ein gefaltetes Blatt Papier aus seiner Hemdentasche, reichte es Alfred und sagte: »Solltest du mich aus irgendeinem Grund wiedersehen wollen – vielleicht um irgendein Thema unserer Unterhaltung fortzusetzen oder dass ich dich bei der Lektüre von Spinoza unterstützen soll, egal, was – das hier ist meine momentane Adresse in Zürich und meine Kontaktadressen in Berlin, wo ich in drei Monaten sein werde. Alfred, ich hoffe sehr, dass wir uns noch einmal treffen. Auf Wiedersehen.«
    Alfred blieb eine Viertelstunde lang missmutig am Tisch sitzen. Er trank sein Bier aus und erhob sich dann. Er entfaltete das Blatt Papier, das Friedrich ihm gegeben hatte, starrte auf Friedrichs Adressen, riss das Blatt dann in vier Teile, warf das Ganze auf den Boden und steuerte auf den Ausgang des Bierkellers zu. In dem Moment, als er den Ausgang erreichte, blieb Alfred stehen, überlegte kurz, ging zurück zum Tisch, bückte sich und hob die zerrissenen Blätter wieder auf.

13
    AMSTERDAM, 1656
    Gegen zehn Uhr am folgenden Morgen waren die Brüder Spinoza in ihrem Laden mitten bei der Arbeit: Bento fegte den Fußboden, und Gabriel öffnete eine frisch eingetroffene Kiste mit getrockneten Feigen. Sie wurden unterbrochen, als Franco und Jacob an der Tür auftauchten und zögernd stehenblieben, bis Franco sagte: »Wenn Ihr Angebot noch besteht, würden wir unsere Diskussion gern fortsetzen. Wir stehen jederzeit zur Verfügung, wann es Ihnen passt.«
    »Ich freue mich darauf, das Gespräch fortzusetzen«, sagte Bento. Und an Jacob gewandt fragte er: »Sie wünschen das auch, Jacob?«
    »Ich wünsche mir nur das, was für Franco das Beste ist.«
    Bento dachte einen Augenblick über diese Antwort nach und gab dann zurück: »Warten Sie einen Moment bitte.« Nachdem er sich mit seinem Bruder im hinteren Teil des Ladens kurz besprochen hatte, verkündete Bento: »Nun stehe ich Ihnen zur Verfügung. Sollen wir zu meinem Haus gehen und unser Studium der Heiligen Schrift fortsetzen?«
    Die wuchtige Bibel lag auf dem Tisch, und die Stühle standen so ausgerichtet, als habe Bento seine Besucher schon erwartet. »Wo sollen wir anfangen? Wir haben das letzte Mal viele Fragen aufgeworfen.«
    »Sie wollten uns erzählen, dass Moses die Thora nicht geschrieben hat«, sagte Jacob, der sich weicher, konzilianter anhörte als am Tag zuvor.
    »Ich habe dieses Thema über viele Jahre studiert. Wenn man die Bücher Mose sorgfältig und unvoreingenommen liest, sind darin, wie ich meine, eine Menge Hinweise darauf eingebaut, dass Moses unmöglich der Autor gewesen sein kann.«
    »Hinweise eingebaut? Das müssen Sie mir erklären«, bat Franco.
    »In der Geschichte von Moses gibt es Ungereimtheiten. Manche Teile der Thora widersprechen anderen Teilen, und viele Passagen halten sich nicht einmal an die einfachste Logik. Ich werde Ihnen Beispiele geben und mit einem offensichtlichen beginnen, das vor mir schon anderen Leuten aufgefallen ist. Die Thora beschreibt nicht nur, wie Moses starb und begraben wurde und die dreißigtägige Trauer der Hebräer, sondern vergleicht ihn zudem mit allen Propheten, die nach ihm kamen, und führt aus, dass er sie alle übertraf.
    Es liegt auf der Hand, dass ein Mensch nicht darüber schreiben kann, was nach seinem Tod mit ihm geschieht, noch kann er sich mit anderen Propheten vergleichen, die noch nicht geboren sind. Deshalb ist es sicher, dass ein Teil der Thora nicht von ihm geschrieben worden sein kann. Ist das nicht so?«
    Franco nickte. Jacob zuckte die Achseln.
    »Oder sehen Sie hier!« Bento schlug die Bibel auf einer Seite auf, die mit einem Faden gekennzeichnet war, und zeigte auf einen Abschnitt aus dem Ersten Buch Mose 22. »Hier sehen Sie, dass der Berg Moriah der Berg Gottes genannt wird. Und Historiker berichten uns, dass er diesen Namen erst nach dem Bau des Tempels bekam, viele Jahrhunderte nach Moses’ Tod. Sehen Sie sich diesen Abschnitt an, Jacob: Moses sagt ganz klar, dass Gott irgendwann in der Zukunft einen Ort auswählen wird, der diesen Namen erhalten soll. Weiter vorn wird es so beschrieben und weiter hinten anders. Sehen Sie die eingebauten Widersprüche, Franco?«
    Sowohl Franco als auch Jacob nickten.
    »Darf ich Ihnen ein anderes Beispiel zeigen?«, fragte Bento, noch immer beunruhigt von Jacobs Wutausbrüchen bei ihrem letzten Treffen. Er sammelte sich: Er wusste, was er tun musste – eine wohldosierte Auswahl treffen und unwiderlegbare Beweise präsentieren.

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