Das stählerne Geheimnis
denn, Doktor Wegener?«
»Sie vergessen die Zerreißlänge, Mr. Roddington. Auch der beste Stahldraht, die festeste Stahlstange reißen unter der Last ihres eigenen Gewichtes ab, wenn ihre Länge zehn Kilometer überschreitet.«
Roddington lehnte sich in seinen Sessel zurück und schloß die Augen. Sein Gesicht wurde abwechselnd rot und blaß. Es war unverkennbar, daß die letzten Worte des Doktors, obwohl sie doch nur eine nüchterne physikalische Tatsache betrafen, ihn stark erschütterten. Minuten vergingen, bevor er seine Fassung zurückgewann und wieder zu sprechen vermochte.
»Herr des Himmels, die Zerreißlänge, Doktor! Das wirft alle unsere Pläne über den Haufen. In der alten Emden-Tiefe hätten wir unser Vorhaben gerade noch ausführen können. Diese neuen Veränderungen des Seebodens schienen uns zuerst so willkommen zu sein; jetzt bringen sie uns Schwierigkeiten, die …«
»Ich habe diese Veränderungen in meinen letzten Berechnungen bereits berücksichtigt, Mr. Roddington«, fiel ihm der Doktor ins Wort. »Machen Sie sich deshalb keine unnötigen Gedanken, sorgen Sie nur mit allen Mitteln dafür, daß Ihr Stahl auch wirklich die verlangten guten Eigenschaften hat. Der Mordsdruck in der neuen Tiefe macht mir mehr Sorgen als die Zerreißlänge. Die Technik kennt verschiedene Mittel, um sich mit der abzufinden, aber ein Druck von fünfzehnhundert Atmosphären ist kein Pappenstiel. Denken Sie immer daran, daß in der riesigen Tiefe da unten auf jeden Quadratzentimeter Ihrer Stahlkonstruktionen ein Druck von anderthalb Tonnen lasten wird.«
»Auf unsern Stahl können wir uns verlassen«, rief Roddington, der aus den Worten des Doktors frische Zuversicht schöpfte. In seinen letzten Funksprüchen meldete Dickinson Fortschritte, die seine kühnsten Erwartungen noch übertrafen.
Langsam war der Zeiger der Uhr inzwischen weitergerückt. Dr. Wegener stand auf.
»Nach meinen Berechnungen müßte das Lot in zwei bis drei Minuten auftauchen. Kommen Sie, Mr. Roddington, wir wollen an die Reling gehen. Es wäre vielleicht zweckmäßig, wenn die ›Blue Star‹ ein wenig Fahrt machte, ganz langsam nur, gerade soviel, daß sich nichts, was von unten kommt, unter ihrem Kiel fangen kann.«
Roddington griff zum Telefon und gab den Befehl auf die Brücke. Mit langsamster Fahrt setzte die Jacht sich in Bewegung. Intensiv spähte Dr. Wegener nach der Gegend hin, wo er das Wurflot versenkt hatte. Unaufhaltsam wanderte der Minutenzeiger der Deckuhr weiter. Die Stirn des Doktors krauste sich.
»Jetzt müßte es kommen«, murmelte er vor sich hin. »Ah, da ist es! Sehen Sie, da kommt ein Teil von dem wieder, was wir vor Stunden ins Wasser geworfen haben. Nur zwei Minuten Verspätung. Tadellos … ganz vorzüglich. Wir wollen das Lot holen.«
Gleich darauf stieß das Boot von der Jacht ab. Der Doktor ließ es sich nicht nehmen, sein Lot selbst aus dem Wasser zu ziehen. Wie einen Schatz hielt er das gläserne Gebilde in seinen Armen. Während das Boot zur »Blue Star« zurückkehrte, wies er Roddington die Stelle, bis zu der ein innerer dunkler Belag des langen Glasrohres, das den Oberteil des Lotes bildete, hellgelb verfärbt war. Eine »15« zeigte die Röhrenskala an diesem Punkt.
»Fünfzehn Kilometer«, flüsterte er Roddington zu. »Haben Sie es gesehen? Genau fünfzehn Kilometer ist die See hier tief.«
Noch einmal sah sich Roddington das Lot genau an.
»Es ist richtig, Doktor! Fünfzehn Kilometer.«
»Gut, Sie haben es auch gesehen.« Dr. Wegener beugte sich über Bord, tauchte die Hand in die See und ließ von oben her ein paar Tropfen Wasser in die Röhre rinnen. Im Augenblick verfärbte sich der innere Belag seiner ganzen Länge nach hellgelb. Niemand hätte mehr sagen können, welche Tiefe mit dem Lot zuletzt gemessen wurde.
Als sie an Bord zurückkamen, konnte sich Roddington einer Frage nicht enthalten.
»Warum verwischten Sie vorhin die Marke an Ihrem Lot, Doktor Wegener?«
»Ich hielt es für zweckmäßig, Mr. Roddington. Es gibt mehr Leute, die sich für unser Tun und Treiben hier interessieren, als Sie vielleicht denken!«
Roddington sah den Doktor verwundert an.
»Haben Sie einen bestimmten Verdacht? Etwa auf die Coporation?«
Dr. Wegener zuckte die Achseln.
»Vorsicht ist die Mutter der Weisheit, Mr. Roddington. Sie erinnern sich wohl, daß in Manila zwei Leute unserer Besatzung die Gelegenheit benutzten, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.«
»Ach, an die beiden Halunken
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