Das stählerne Geheimnis
ein Besuch gemeldet. »Kemi Itomo, Nagasaki, Japan« las er mit einiger Verwunderung auf der Karte, die der Diener vor ihn hinlegte. Ein Gelber? Hier im Trenton-Werk? Diesmal nicht als Agent, wie man sie in letzter Zeit ein paarmal abgefaßt und der Justiz zur weiteren Veranlassung übergeben hatte – sondern regelrecht angemeldet als ein legaler Besuch? Dickinson wußte nicht, was er davon halten sollte.
»Führen Sie den Herrn herein!« befahl er nach kurzem Überlegen. Der Diener verschwand und bat Herrn Kemi Itomo, einzutreten. Mit einer höflichen Verbeugung trat der Japaner näher und folgte, sich nochmals verneigend, der Aufforderung Dickinsons, Platz zu nehmen. Er sprach ein ganz brauchbares Englisch.
»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Mr. Itomo?« fragte Dickinson.
»Ich möchte etwas bei Ihnen bestellen, Mr. Dickinson. Es handelt sich um eine besondere Art von Stahlguß, den wir noch nicht herstellen können.«
Dickinson hatte das Gefühl, als ob ein elektrischer Schlag ihn durchzuckte. Einen Augenblick sah er den Japaner starr an. Dessen Gesicht blieb unbeweglich.
»Waren Sie schon bei der Corporation?« fragte Dickinson. Der Japaner schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, ich glaube auch nicht, daß die Corporation mir das Gewünschte liefern könnte.«
»Aber Sie meinen, unsere Werke würden es können, Mr. Itomo?«
Das Lächeln auf den Zügen des Japaners verstärkte sich um eine Kleinigkeit, als er erwiderte:
»Ich glaube, Sie werden es können. Ich hörte, daß Ihr Werk für Schleuderguß hervorragend eingerichtet sein soll.«
Dickinsons Rechte umklammerte die Armlehne des Sessels, während er antwortete. »Ihre Angaben sind zutreffend, Mr. Itomo. Wir haben uns auf diesem Gebiete spezialisiert. Wollen Sie mir näheres über die Art der Stücke mitteilen, die Sie benötigen?«
Der Japaner griff nach seiner Aktentasche und holte eine Zeichnung hervor.
»Bitte, Sir«, fuhr er fort, während er sie seinem Gegenüber zuschob, »es handelt sich um starkwandige Stahlrohre.«
Dickinson starrte auf das Papier. Er schloß die Augen und öffnete sie wieder, aber die Zeichnung blieb unverändert dieselbe. Sie stellte ein Riesenrohr der gleichen Art dar, wie er deren jetzt bereits einhundertvierzig Stück für Roddington gegossen hatte. Noch einmal überprüfte er die eingetragenen Maße. Jeder Irrtum war ausgeschlossen, sogar das Gewicht von zweitausend Tonnen für das einzelne Stück war auf der Zeichnung notiert. Er brauchte geraume Zeit, sich zu sammeln, bevor er weitersprechen konnte.
»Darf ich fragen, Mr. Itomo, für welchen Zweck Sie diese außergewöhnlichen Gußstücke benötigen?«
Der Japaner zuckte die Achseln.
»Ich bedauere, Mr. Dickinson, Ihnen nichts Genaues sagen zu können, da ich selbst nur im Auftrag handle. Soviel mir bekannt ist, sind die Rohre – wir würden zunächst zehn Stück brauchen – für eine Hochdruckleitung der chemischen Werke in Nagasaki bestimmt.«
Das lügst du und der Teufel, dachte Dickinson bei sich. Laut fuhr er fort:
»Ich kann in dieser Angelegenheit nicht selbst entscheiden. Ich muß durch Funkspruch die Einwilligung Mr. Roddingtons einholen. Würden Sie mir vierundzwanzig Stunden Zeit dafür lassen?«
Der Japaner verneigte sich.
»Selbstverständlich, Mr. Dickinson. Darf ich Sie morgen um die gleiche Zeit wiederum aufsuchen?«
Und dann war Herr Kemi Itomo gegangen. Dickinson war allein in seinem Zimmer, allein mit tausend Gedanken, mit tausend Zweifeln, die auf ihn einstürmten. Hätte er den Japaner nicht von sich aus sofort abweisen müssen? Durfte er Roddington überhaupt mit einer solchen Frage kommen?
Während der nächsten Stunden schwirrten die Funksprüche zwischen Davao und Trenton hin und her. Jeden Satz, ja womöglich jedes Wort, das der Japaner während seines Besuches gesprochen hatte, wünschte Roddington zu wissen. Am Abend endlich kam seine Antwort, die Dickinson trotz des vorhergegangenen Depeschenwechsels in Erstaunen setzte, und am nächsten Mittag kam Herr Kemi Itomo wieder zu Dickinson.
Die Unterredung zwischen dem Japaner und dem Direktor des Stahlwerkes nahm diesmal einen glatten Verlauf. Dickinson erklärte sich bereit, die zehn Rohre innerhalb der von Itomo gewünschten Frist zu liefern. Nur bei der Festsetzung des Preises und der Zahlungsbedingungen gab es ein längeres Hin und Her. Mit der Hartnäckigkeit, die dem Ostasiaten in geschäftlichen Dingen eigen ist, versuchte Itomo zu handeln, aber ebenso
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