Das stählerne Geheimnis
Wegener«, eröffnete er jetzt die Besprechung. »Schon seit einiger Zeit merke ich, daß irgend etwas Sie bedrückt.«
Der Doktor strich sich mit einer nervösen Bewegung durch seinen Schopf.
»Sie haben recht, Mr. Roddington. Es hat keinen Zweck, den Kopf vor der Gefahr in den Sand zu stecken. Wir müssen offen sprechen. Der ungeheue Wasserdruck ist es, der mir immer größere Sorge bereitet.«
»Sie fürchten, Doktor Wegener, daß das Balsaholz dem Druck von tausend und mehr Atmosphären nicht widerstehen könnte. Ich habe in letzter Zeit ähnliche Gedanken gehabt.«
Der Doktor griff nach einem mit Zahlen bedeckten Blatt, während er weitersprach.
»Unsere Berechnung schien sehr einfach zu sein, Mr. Roddington. Der ganze Rohrstrang wiegt dreihunderttausend Tonnen. Durch die Holzmäntel werden die Rohre im Wasser bis auf fünf Prozent ihres Gewichtes entlastet. Wir brauchen nur noch ein Gewicht von fünfzehntausend Tonnen zu beherrschen, wenn … ja, wenn eben das Holz dem Druck standhält.«
»Sie waren Ihrer Sache zuerst doch völlig sicher« warf Roddington ein. »Wir haben das Holz zusammen unter den Pressen dem größten Druck ausgesetzt. Sie haben die Volumenverringerung in Ihren Berechnungen berücksichtigt. Woher kommen Ihnen jetzt die Bedenken?«
Es dauerte geraume Zeit, bis Dr. Wegener sich zu einer Antwort aufraffte.
»Eine bündige Erklärung kann ich Ihnen nicht geben, Mr. Roddington. Nennen Sie es Ahnung, nennen Sie es meinetwegen, wie Sie wollen. Vor einer Woche etwa, es war nach Mitternacht, ich konnte nicht einschlafen, da kam es über mich. Wie ein Wachtraum war es. Ich sah uns beide auf der Plattform des größten Schiffes unserer Werkflotte stehen. Die schweren Winden waren in Tätigkeit, Rohr fügten wir an Rohr, und ließen den Strang an mächtigen Stahltrossen immer tiefer in die See hinab. Alles ging gut. Kilometer um Kilometer fuhr der Strang in die Tiefe, an den Dynamometern konnte ich ablesen, daß die berechnete Entlastung tatsächlich vorhanden war … und dann, Roddington … dann gab es plötzlich einen fürchterlichen Ruck. Schwer neigten die acht Schiffe der Werkflotte, an denen der Rohrstrang hing, sich über. Die Zeiger der Dynamometer schnellten in die Höhe. Hell klangen die schweren Stahltrossen wie die aufs höchste gespannten Saiten einer Riesengeige … dann brachen sie, Roddington. Mit Gewalt schnellten die abgerissenen Enden nach oben, in der Tiefe der See verschwand der Rohrstrang. Mit einem Schrei fuhr ich auf, war ich wach… Hatte ich geträumt? Seit der Nacht bin ich meiner Sache nicht mehr sicher?«
Mehr als er sich selbst gestehen wollte, war Roddington von den Worten Dr. Wegeners ergriffen. Seit jenem Tage, da an Bord der »Blue Star« zwischen ihnen zum erstenmal die Zerreißlänge erwähnt wurde, waren ihm öfter als einmal technische Zweifel und Bedenken gekommen.
Es war nicht die Festigkeit des Balsaholzes allein, an die er dabei denken mußte. Auch die Frage, wie der auf die Holzmäntel aufvulkanisierte Kautschukbelag sich dem riesenhaften Wasserdruck gegenüber verhalten würde, ging ihm wieder und immer wieder durch den Sinn. Jedes Loch in diesern Belag mußte ja notwendigerweise auch ein Loch in der Berechnung bedeuten, die Dr. Wegener mit so viel Sorgfalt aufgestellt hatte.
Nicht einmal, sondern Dutzende von Malen hatten sie bei früheren Fahrten auf der »Blue Star« Versuche darüber angestellt. Am Draht des Tiefseelotes versenkten sie Holzstücke mehrere Kilometer tief in das Meer. Kam das Holz mit dem Lot wieder nach oben, so war es bis in die letzten feinsten Hohlräume mit Seewasser durchsetzt und ebenso schwer wie das Wasser selbst geworden. Eine Schwimmfähigkeit besaß es danach nicht mehr.
Damals war ihnen zuerst die Idee eines Gummibelages gekommen. Andere Versuche machten sie mit derartig geschützten Holzstücken, und der Schutz bewährte sich. Man konnte weder Dr. Wegener noch Roddington den Vorwurf machen, daß sie nicht alle erreichbaren Erfahrungen gesammelt hätten, bevor sie an die Ausarbeitung ihres Planes gingen.
Doch was im kleinen sicher war, konnte im großen unsicher werden. Zu bedeutend war der Unterschied zwischen den kleinen Holzstücken, mit denen sie bisher experimentiert hatten, und den mächtigen Holzmänteln der Riesenrohre, die nun bald dem fürchterlichen Druck der tiefsten Meerestiefe ausgesetzt werden sollten.
In das minutenlange Schweigen fielen langsam und schwer die Worte Roddingtons.
»Einen
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