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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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Gerda.
    »Aber nein«, versicherte Edvard.
    »Viola ist vielleicht ein bißchen sauer, meinst du nicht?«
    Als Antwort auf seine Frage trat Viola vor das Haus. Den alten Mantel hatte sie nun gegen ein grünes Kleid mit roten Blumen eingetauscht. Es reichte ihr bis zu den Gummistiefeln. Die Haare hatte sie zu einem grauen Knoten hochgesteckt. Sie bemerkte die Blicke der anderen und konnte sich nicht entscheiden, welche Miene sie aufsetzen sollte. Victor trat in seinen Stiefeln nervös von einem Bein auf das andere.
    Lindells Blick schweifte von der alten Frau zu Victor, und völlig unvermittelt brach sie in Tränen aus. Victor war fassungslos und eilte zu ihr.
    »Was ist denn los?«
    Lindell schneuzte sich, bat um Entschuldigung und sah sehr verlegen aus. Der Weinkrampf war so schnell vorüber, wie er gekommen war.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie wahrheitsgemäß.
    »Du mußt etwas essen«, entschied Gerda.
    Edvard stand reglos daneben. Sie schaute auf, und ihre Blicke begegneten sich.
    »Ich fahre den Traktor noch schnell weg«, meinte Victor.
     
    Sie deckten zwei aneinandergerückte Tische. Viola holte Leinentischdecken aus dem Haus. Lindell trug Geschirr herbei. Gerda schrubbte noch mehr Kartoffeln, kochte rote Beete, stellte die eingelegten Heringe auf den Tisch und wärmte Essen auf. Die Cousins trugen die Stühle hinaus. Victor briet Strömlinge und balgte sich mit Gerda um den Platz am Herd.
    Um halb eins setzten sie sich an den Tisch, Viola an dem einen Kopfende, Edvard am anderen. Mittsommer. Über dem Festland im Westen breiteten sich dunkle Wolkenbänke aus, aber über der Insel schien die Sonne. Kurt freute sich, daß es in Valö und in Morrskedika regnete.
    Lindell hatte Blumen gepflückt, um den Tisch damit zu schmücken. Ein Zitronenfalter suchte im Blütenkelch einer Glockenblume nach Nektar. Alle verstummten beim Anblick des flatternden gelben Schmetterlings über dem sommerlichen Blumenstrauß.
    Vom Meer schallte das Surren von Motorbooten und das Lachen und Rufen von Menschen zu ihnen herüber. Es war, als hätten die Cousins nur auf dieses Startzeichen gewartet, denn sofort fingen sie an zu reden. Ihre urkomischen Geschichten, von denen viele seit Jahren und auf vielen Festen immer wieder erzählt worden waren, sorgten für Gelächter und gutgelaunte Kommentare. Schon bald übertönten die Lachsalven am Tisch die Geräusche auf dem Meer.
    »Wenn es im Sommer heiß wurde, montierte seine Alte den Schlauch hinten an den Staubsauger und steckte das Mundstück unter das Bettuch. Ärkondischn nannte Morin das.«
    »Er ist gestorben«, bemerkte Gerda trocken. Sie aß noch immer mit gutem Appetit. Sie wußte davon, weil Morin der Schwippschwager einer ihrer Cousinen war. »Aber er war nett«, fügte sie hinzu.
    »Der soll nett gewesen sein?« wandte Tore ein, den der Gräsö-Absolut immer mächtig in Schwung brachte. »Er war ein verdammter Idiot.«
    Gerda fixierte ihn über den Blumenstrauß hinweg. Früher oder später würde sie das letzte Wort haben, das wußte sie.
    Tore und Morin hatten gemeinsam das Kernkraftwerk in Forsmark gestrichen und waren dabei nicht gut miteinander ausgekommen. Daraufhin wurden einige Anekdoten über Forsmark erzählt, gefolgt von den üblichen Sticheleien gegen Sommerurlauber und alle, die mehr als sechs Jahre die Volksschule besucht hatten.
    Das geschah wider besseres Wissen, denn die alten Leute am Tisch hegten eine Mischung aus Achtung und Neid, Mißgunst, Respekt und Untertänigkeit den Städtern gegenüber, die ihre Insel nach und nach erobert hatten. Das gleiche galt für die Vertreter von Behörden wie Veterinäre, Mitglieder des Bauausschusses, Landvermesser, Straßenmeister und andere Personen, die mit ihren willkürlichen Beschlüssen über die Insel bestimmten.
    Die Schärenbewohner buckelten, sperrten sich und ignorierten Beschlüsse, buckelten wieder, gehorchten manchmal, hielten jedoch standhaft an dem über Generationen erworbenen Mißtrauen und Neid fest. Sie begegneten diesen Leuten so, wie es ihnen gerade paßte, abhängig vom eigenen Nutzen und der Tagesform.
    Daß sie Edvard so rasch akzeptiert hatten, lag daran, daß er Landarbeiter gewesen war und auch mit Tieren umgehen konnte. Lindell gehörte zu Edvard. Außerdem war sie wie du und ich und mischte sich nicht ein, und dann war sie auch noch eine Frau und zählte schon deshalb nicht, insbesondere nicht für Gerda, die über die ganzen »alten Schachteln« schimpfte, ganz egal, wo sie

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