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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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eine rote Strickjacke, die sie sich lose um die Schultern legte.
    Das Meer lag spiegelblank. Über dem inneren Ufer der Bucht hing eine dünne Nebelbank. Sie fühlte sich jetzt besser und lächelte vor sich hin. Der Anblick des Wassers, die Stille, die pastorale Idylle an diesem frühen Morgen ließen ihre Brust vor Rührung schwellen. Es war so schön hier, so atemberaubend schön.
    Schwacher Thymianduft und ein zierliches gelbes Knäuel Fettehenne in einer Spalte im Fels ließen sie auf die Knie sinken. Die rundlichen Steine am Uferrand wurden sanft vom Wasser überspült. Ein kleines Rinnsal erreichte ihren Fuß, floß dann aber träge zurück. Sie streckte sich auf dem Felsen aus und wärmte ihr Gesicht in der Sonne.
    In der Ferne hörte man Möwen schreien. Sie wußte, daß sie bald näher kommen würden, vielleicht sogar davon angelockt wurden, daß sie aufgetaucht war. Still und mit geschlossenen Augen blieb sie liegen. Die Finger einer Hand streiften leicht über die rauhe Pflanze neben ihr. In Gedanken spielte sie ihre Begegnung mit Edvard noch einmal durch. Er war schüchtern gewesen und hatte nicht besonders viel gesagt. Weil er so begeistert von den Jungen und dem Bau des Bootsstegs erzählt hatte, glaubte sie, daß er gesprächiger wäre und über seine Gedanken und Zukunftspläne reden würde, aber er hatte sie nur mit liebevollen Augen angesehen. Nachts hatten sie sich geliebt wie früher, intensiv und leidenschaftlich.
    Sie liebte seine Hände und sein zärtliches Flüstern, wenn er erregt war. Hinterher hatten sie sich immerhin noch etwas unterhalten. Er hatte sich nach ihr gesehnt, aber beschlossen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. »Ich habe geglaubt, daß ich ein Einzelgänger bin«, hatte er gesagt, »jemand, der die Nähe eines anderen Menschen, einer anderen Frau nicht mehr ertragen kann.« Daraufhin war er verstummt, aber Lindell hatte ihn wieder zum Sprechen gebracht, und er erzählte, daß der neuerliche Kontakt zu seinen Söhnen ihn eines Besseren belehrt hatte. Er wollte mit ihr zusammenleben. Seine Söhne hatten in ihm wieder die Lust geweckt, sein alltägliches Leben mit einem anderen Menschen zu teilen.
    »Es gibt keine andere für mich«, hatte er gesagt, »das wußte ich schon vor zwei Jahren, und deshalb habe ich dich angerufen.«
    »Ich bin froh, daß du angerufen hast«, hatte sie gerührt gemurmelt.
    Als sie da auf dem Fels lag, umgeben von den verführerischsten Düften Gräsös, wuchs ihre Entschlossenheit. Der nächtliche Liebesrausch hätte auch eine Illusion sein können, aber jetzt wußte sie, daß Edvard und kein anderer der richtige Mann für sie war. Sie würden es »packen«. Vielleicht konnte sie auf die Insel hinausziehen. Die Arbeit war ihr Leben, doch es gab bestimmt auch Arbeit in der Nähe. Sie würde sich verschlechtern, wenn sie am Rande Upplands in der Provinz landete, das wußte sie. Ihre Aufstiegschancen würden dadurch sinken, aber das machte ihr noch am wenigsten zu schaffen. Damit kam sie zurecht. Im Grunde strebte sie nicht an, in der Hierarchie aufzusteigen. Es waren eher die Kollegen des Kommissariats, die ihr fehlen würden. Und Ottosson.
    Sie versuchte sich vorzustellen, in den nahe der Insel gelegenen Orten Tierp oder Östhammar zu arbeiten, aber sie wußte zuwenig über die Rahmenbedingungen im nördlichen Uppland, um sich ein Bild davon machen zu können. Sie würde mit Edvard zusammenleben, und darüber hinaus? Sie würde die Bucht bekommen, die Weiden und das Hühnerhaus, doch würde sie auf Dauer diese Ruhe ertragen können? Für Edvard war das kein Problem, er war in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Sie war aus Ödeshög in die Großstadt geflohen.
    Über eine Stunde blieb sie auf dem Felsen liegen. Nicht neuerliche Übelkeit, sondern aufkeimender Hunger veranlaßten sie schließlich, sich aufzurappeln. Die Möwen waren wie erwartet näher gekommen und saßen nun auf einem vorgelagerten Inselchen, wo sie wie eh und je kreischten.
    Irgendwo wurde ein Bootsmotor angelassen. Lindell ging langsam zum Haus zurück. Das Wasser plätscherte gegen den Bootssteg. Eine Möwe saß am Ende des Stegs und putzte sich. Lindell dachte an das kleine Schild mit den eingravierten Namen von Edvard, den Jungen und Victor. Wie wichtig dieses Stück Metall doch war. Sie wünschte sich, die Gäste der gestrigen Feier hätten ihre Namen auch auf eine Tafel gesetzt, die irgendwo befestigt würde. Die Cousins, die wunderbare Gerda mit ihren Launen und ihrem trockenen

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