Das Steinbett
Wenn unser Text gesendet worden ist, hauen wir wieder ab.«
Für einen Moment wurde es totenstill im Raum. Der Schock und das Gefühl von etwas Unwirklichem, das von der Redaktion Besitz ergriffen hatte, wich nun der Angst. Was geschah, wenn etwas schiefging? Was würde dann passieren?
»Und keine verdammten Tricks! Wir haben jemanden, den wir anrufen werden und der kontrolliert, ob es auch wirklich gesendet wird, also versucht erst gar keine Mätzchen. Habt ihr mich verstanden?«
Der maskierte Mann schrie seine Kommandos. Die roten Punkte der Uhr marschierten unverdrossen im Kreis.
»Setz dich da rein! Gib dich wie immer.«
»Noch dreißig Sekunden«, sagte die Neue und blickte den Redakteur flehentlich an.
»Okay«, sagte er, »setz dich an deinen Tisch.«
Birgitta Nilsson starrte auf das Papier, das man ihr in die Hand gedrückt hatte, war aber nicht in der Lage, auch nur eine Zeile zu lesen. Schweigend begaben sich alle an ihre Plätze. Birgitta Nilsson holte mechanisch den Spiegel heraus und schaute in ihr blasses Gesicht. Der Redakteur setzte sich an den kleinen Tisch im Regieraum. Er schaltete das Mikrofon ein, das ihm den Kontakt zu Birgitta ermöglichte.
»Bist du in Ordnung?« fragte er leise. »Du schaffst das schon.«
Einer der Kameramänner machte sich bereit.
»Noch zehn Sekunden«, sagte der Redakteur.
Sein Blick war auf die Monitore gerichtet. Die Sendung begann. Das Intro klang auf einmal vollkommen fremd.
»Soll ich die normale Anmoderation machen?« hörte man Birgittas Stimme.
Anders Moss starrte den maskierten Mann an, der das Kommando hatte, einen Schritt näher an die offene Tür zum Studio herantrat, hineinschaute und dann nickte.
»Anschließend folgen zwei Minuten Reklame«, erläuterte Moss.
Der Maskierte nickte wieder. Er schien sich etwas beruhigt zu haben.
»Warum?« fragte Moss. »Man wird euch bestimmt schnappen.«
»Halt einfach das Maul«, zischte der Mann.
Moss hatte plötzlich alles gründlich satt. Warum müssen wir solchen Idioten ausgeliefert sein, dachte er. Die Reklame lief. Außer dem Anführer behielten zwei der Eindringlinge an den Kontrollmonitoren alles im Blick, und ein weiterer befand sich im Studio. Wir könnten sie überwältigen, dachte Moss und versuchte Blickkontakt zu seinem Tontechniker zu bekommen, der jedoch mit einem dämlichen Gesichtsausdruck auf die Regler starrte, so als verstünde er nicht, was man von ihm erwartete.
Die Sekunden vergingen. Zehn Sekunden, dachte Moss, wie weit kommen wir in zehn Sekunden? Vielleicht ist es auch nur ein Bluff, aber wer würde es schon darauf ankommen lassen?
Die Reklame näherte sich dem Ende. Der Tontechniker zitterte vor Angst.
»Noch zehn Sekunden«, sagte die Neue. Sie schien am ruhigsten von allen.
Dann war Birgitta auf Sendung. Nervös blickte sie in die Kamera. Leute, die sie kannten und zuschauten, meinten hinterher, ihr wäre nicht das geringste anzumerken gewesen, aber ihr selber war vor Angst speiübel.
Sie blickte auf das Blatt. Der Text war maschinengeschrieben, mit großer Schrift. Es waren vielleicht fünfzehn Zeilen voller schwarzer, fremder Buchstaben.
»Das in Uppsala ansässige Unternehmen MedForsk führt illegale Tierversuche an Affen durch«, begann sie, verstummte dann jedoch.
»Was zum Teufel!« schrie der maskierte Mann im Studio.
»Weiter!«
Es vergingen ein paar Sekunden, die allen Anwesenden endlos vorkamen, ehe sie in der Lage war, weiterzulesen. In diesem Augenblick erkannten viele Zuschauer, daß etwas nicht stimmte.
»Die Versuche laufen seit zwei Jahren, verstoßen gegen bestehende Gesetze und bedeuten eine schwere Mißhandlung der Affen, die unter unwürdigsten Bedingungen gefangengehalten werden. Sie leben in engen Käfigen und leiden Not. Wir vom Kommando zur Befreiung der Tiere warnen MedForsk: Beenden Sie die qualvollen Versuche, sonst stoppen wir Ihr blutiges Handeln. Sie glauben, daß Sie sich über den Tierschutz hinwegsetzen können, und rechtfertigen sich damit, daß dies im Dienste der Menschheit geschehe, aber in Wirklichkeit geht es Ihnen nur ums Geld. Das ist unsere letzte Warnung: Brechen Sie Ihre kriminellen Versuche ab, sonst handeln wir.«
Calle Friesman, der auf den Beitrag über das Universitätskrankenhaus wartete, den er am Nachmittag gedreht hatte, begriff sofort, daß etwas nicht stimmte. Der erste Satz hätte noch okay sein können, auch wenn er nichts davon gehört hatte, daß sie einen Beitrag über Affen bringen würden. Aber da
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