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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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die Frau. Sie sah verängstigt aus. Studiogäste waren oft nervös, betrachteten immer wieder ihr eigenes Spiegelbild und schoben die Haare aus dem Gesicht, es zuckte um ihren Mund, sie rückten die Krawatten oder zogen Blusen zurecht, lachten gekünstelt oder hüllten sich in Schweigen. Anna Brink hatte sämtliche Varianten erlebt, und Ann-Britt Zimén gelang es, all diese Verhaltensmuster zu einem Bewegungsschema zu vereinen.
    »Keine Sorge«, sagte Anna Brink.
    Die Frau tat ihr leid. Man konnte nur hoffen, daß sie sich etwas beruhigte, denn sonst würde es Anders Moss im Studio nicht leicht mit ihr haben.
    Plötzlich verzerrte sich das Gesicht der Politikerin. Sie stierte zur Tür und stieß einen jammernden Laut aus. Anna Brink folgte ihrem Blick. Auf der anderen Seite der Glastür stand eine junge Frau. Ihre blonden Haare waren genauso blutverschmiert wie ihr Gesicht. Das Weiß in ihren Augen leuchtete, ihr Mund stand offen, und sie preßte eine Hand gegen die Glasscheibe.
    Anna schob die paralysierte Politikerin zur Seite, hakte die Sicherheitskette auf und öffnete die Tür. Die Frau versuchte etwas zu sagen, was Anna Brink jedoch nicht verstand.
    »Was ist passiert?«
    Die Frau griff nach der Tür, und ehe Anna Brink wußte, wie ihr geschah, waren drei oder vier schwarzgekleidete Gestalten in den engen Vorraum gestürmt. Alle waren mit Wollmützen maskiert, und das erste, was die blutüberströmte Frau tat, war, sich ebenfalls eine Wollmütze überzuziehen.
    »Keinen Mucks«, sagte einer der Vermummten und legte der Politikerin die Hand auf den Mund. »Ihnen wird nichts geschehen.«
    Anna Brink sah, daß sie alle noch jung waren. Schmächtige Körper, schmale Hände und jugendliche Stimmen.
    »Ihr müßt einfach nur den Mund halten und tun, was wir sagen.«
    Sie und die Politikerin wurden in den Schneideraum gestoßen. Einer der Maskierten griff nach dem Telefon und riß die Schnur aus der Wand. »Her mit den Handys!« sagte er mit deutlich spürbarer Nervosität. »Wie viele seid ihr hier?«
    »Ich weiß nicht genau«, antwortete Anna, »sechs, sieben Personen vielleicht. Einige sind im Regieraum und einige im Studio. Was wollen Sie?«
    »Das kann dir egal sein.«
    Anna Brink staunte über sich selbst. Anfangs hatte sie noch Angst gehabt, aber sie geriet nicht in Panik. Die Politikerin dagegen war in dem gleichen erbärmlichen Zustand wie ihre Partei und saß apathisch an die Wand gelehnt auf dem Boden. Aus ihr würde man die nächste Zeit kein vernünftiges Wort mehr herausbekommen. Anna Brink beugte sich über sie und sagte, daß alles wieder in Ordnung komme.
    Die Tür zu dem Raum wurde geschlossen, und einer der Maskierten blieb davor stehen. Die übrigen drangen in die Regie und das Studio ein. Alle dort drin waren vollkommen überrumpelt. Bis zur Sendung blieben noch zwei Minuten. Charlie Nikoforos versuchte ansatzweise Widerstand zu leisten und packte einen der Eindringlinge am Arm, aber der lachte nur und befreite sich aus seinem Griff.
    »Niemand wird zu Schaden kommen, wenn ihr tut, was wir verlangen«, sagte einer, der die Gruppe anzuführen schien.
    »Wir wollen ins Fernsehen, und ihr werdet uns dabei helfen.«
    Er betrachtete die Mitglieder der Redaktion, die man inzwischen alle im Regieraum versammelt hatte.
    »Diese Tasche«, sagte er und hielt eine altmodische Einkaufstasche hoch, »enthält eine Sprengladung, die groß genug ist, um das Studio in Schutt und Asche zu legen. Wenn ich hier zünde, dauert es noch zehn Sekunden, bis es knallt. Ein paar von euch schaffen es vielleicht noch ins Freie, aber sicher nicht alle.«
    Die Mitarbeiter von TV4 starrten die unansehnliche Tasche an. Eine Plastikschnur lugte aus dem ein wenig offenstehenden Reißverschluß heraus. Der Mann hielt die Tasche in der linken Hand und fuchtelte mit der anderen herum. Es sah aus, als würde er mit dem Arm eine Explosion beschreiben.
    »Wer von euch ist die Nachrichtensprecherin?«
    »Das bin ich«, sagte Birgitta Nilsson.
    »Schön, du wirst für uns ein Kommuniqué verlesen.«
    Er sah kurz auf die Wanduhr, 18:09.
    »Du wirst wie immer aussehen, das Papier verlesen, und das war’s. Verstanden?!«
    Birgitta Nilsson starrte den Mann an, sagte aber nichts.
    »Was, zum Teufel, das können Sie doch nicht machen!« wandte der Redakteur ein.
    »Was steht denn da drin?« fragte Ove Lundin.
    »Das werdet ihr noch früh genug erfahren. Alle tun, was sie sonst auch tun, keine Mätzchen, alle bleiben ruhig und vernünftig.

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