Das Steinbett
Gustavsberg, Überreste eines ehemals vollständigen Services. Gabriella Mark gab nichts auf Statussymbole. Sie besaß praktisches Porzellan ohne raffiniertes Design. Ihre Neueinkäufe stammten nicht aus teuren Geschäften, sondern eher von IKEA, es waren Ergänzungskäufe, um das alte Service zu vervollständigen.
Jedes Ding mußte in die Hand genommen und begutachtet werden. Sie hatte das Gefühl, einer völlig sinnlosen Arbeit nachzugehen, und erwartete nicht, etwas von Belang zu finden, aber es mußte trotzdem getan werden. Vielleicht lag in einer Tasse oder hinter einer Bratpfanne etwas, das die Ermittlungsmaschinerie auf Touren bringen würde.
Die Routinearbeit machte sie immer ungeduldiger. Sie war der festen Überzeugung, daß die Lösung außerhalb des Hauses zu finden war und sie nur Zeit verloren. Ihr kam der Gedanke, das Haus ihren Kollegen zu überlassen. Aber was sollte sie statt dessen machen?
Nach knapp halbstündiger Suche hatte sie nichts gefunden, keine Notiz auf einem Zettel, keine Quittungen oder Briefe, die ihre Ermittlungen weitergebracht hätten. Sie hörte Berglund im Wohnzimmer umhergehen und konnte sich denken, daß er in Büchern blätterte und die Schubladen im Sekretär durchsuchte.
Das einzig wirklich Interessante, worauf Lindell noch stieß, war eine leere Packung Sobril mit dem Namen des behandelnden Arztes auf dem Etikett.
Ihr Handy klingelte. Es war Beatrice, die Gabriella Marks persönliche Daten ermittelt hatte. Sie war dreiunddreißig Jahre alt, geboren im Osten der Provinz Schonen, in der Nähe von Simrishamn. Beatrice wußte noch nicht, ob es nahe Verwandte gab. Gabriella Mark, Projektleiterin bei einer Unternehmungsberatung, war in den letzten zwei Jahren immer wieder krankgeschrieben worden. Das Unternehmen war vor acht Monaten in Konkurs gegangen.
Sie bezahlte keine Kredite ab und hatte keine Schulden. Sie besaß einen gültigen Reisepaß. Soweit waren die Ermittlungen im Präsidium gediehen.
Lindell bat Beatrice, bei der Telefongesellschaft anzufragen, ob man dort eine Übersicht der Telefonate erstellen konnte und ob Gabriella Mark auch ein Handy besessen hatte. Beatrice erhielt zudem den Namen des Arztes mit der Bitte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen.
Krankgeschrieben, überlegte Lindell und schaute aus dem Fenster. Aber in ihrem Gemüsegarten hat sie gearbeitet, und das ist nicht weniger anstrengend als jede andere Arbeit auch. Sie erblickte ein paar Kollegen, die dabei waren, eventuelle Spuren zu sichern. Lindell überkam große Müdigkeit. Sie beteiligte sich an einem immerwährenden Kampf, einer Sisyphusarbeit.
Lindell schaute zu Berglund hinein und fragte, ob er etwas gefunden habe, aber der schüttelte nur den Kopf, ohne aufzuschauen. Sie machte im Obergeschoß weiter. Ola Haver stand in einem großen, begehbaren Kleiderschrank. Auf dem Bett hatte er einen ganzen Stapel Kleider und Röcke plaziert und arbeitete sich nun offenbar weiter durch den Bestand.
Lindell sah sich um. Es war ein spartanisch eingerichtetes Zimmer mit schrägen Wänden, einer hellen Tapete mit kleinen roten Rosen, einem ordentlich gemachten, breiten Bett, auf dem eine Tagesdecke in kräftigen Farben lag. An einer Wand standen ein Bücherregal, ein kleiner Tisch und ein antiker Stuhl. Das war alles. Sie ging zum Regal: Gartenbücher und Romane. Lindell studierte einige der Titel. Sie selber kam praktisch nie zum Lesen und stand Menschen, die viel lasen, ein wenig skeptisch gegenüber. Das hatte sie vermutlich von ihrem Vater, der allen mißtraute, die ihre Nase in ein Buch steckten.
Auf dem Nachttisch lag ein dünnes Bändchen mit dem Titel »Orientalisches für Ihren Garten«. Lindell nahm es und blätterte zerstreut darin. Ein Kapitel war mit »Japanisches Blattgemüse« überschrieben.
Haver schob sich aus dem Kleiderschrank.
»Nichts?« sagte Lindell.
»Nein, nur verdammt viele Kleider.«
»Etwas Auffälliges?«
Haver schüttelte den Kopf. Er setzte sich auf die Bettkante. »Es geht immer weiter«, sagte er, und Lindell begriff, daß ihn dasselbe Gefühl erfaßt hatte wie sie.
»Was denkst du?« sagte Lindell und setzte sich auf den Stuhl.
Die Vertrautheit zwischen den beiden Kollegen wurde durch die beidseitige Müdigkeit und den allgemeinen Verdruß über die Lage der Dinge noch verstärkt. Sie wollten sich nicht in diese Schlafzimmer und Küchen drängen und in den privaten Angelegenheiten fremder Menschen herumschnüffeln. Am Anfang ihrer Karriere hatte es
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