Das Steinbett
Meter bis zum nächsten Nachbarn. Der Wald in unmittelbarer Nähe. Die einzigen Lebewesen, die es hier außer ihr gab, waren eine Elchkuh und ihr Kalb.
Sie drehte sich schnell um. Es hatte wieder geraschelt. Regungslos stand sie da und versuchte etwas zu erkennen. Vielleicht kam das Geräusch auch von den Eulen, die etwas tiefer im Wald nisteten.
Schaudernd schloß sie die Tür. Im gleichen Moment schlug die Wanduhr in der Küche achtmal. Gabriella begann zu weinen.
20
Die Klingelzeichen vermischten sich mit den Traumbildern. Sie war mit langen, antilopenhaften Sprüngen gelaufen, als das Telefon anfing zu schrillen.
Langsam kam sie zu Bewußtsein und tastete nach dem Hörer, dabei schaute sie auf die Uhr.
Edvard. Augenblicklich war sie hellwach. »Nein, du hast mich nicht geweckt«, sagte sie und setzte sich auf.
»Ich wollte mich nur für neulich bedanken«, sagte Edvard.
»Danke gleichfalls.«
Es war halb acht, und sie sollte eigentlich schon auf der Arbeit sein.
»Wie geht es dir?«
Ruf mich nicht an! Laß mich in Ruhe!
»Im Moment ist es ziemlich stressig«, sagte sie und stieg aus dem Bett.
»Ich komme heute nachmittag in die Stadt. Ich dachte, wir könnten uns heute abend vielleicht treffen.«
Ann Lindell ging geistesabwesend zur Toilette. »Ich weiß nicht«, erwiderte sie mit lahmer Stimme.
»Wir könnten essen gehen. Das Wetter soll gut werden.«
»Ich weiß nicht«, wiederholte sie.
»Ist etwas passiert?«
»Nein, ich habe nur im Moment so viel zu tun. Ich muß vielleicht arbeiten.«
Seiner Stimme war anzuhören, daß er enttäuscht war. Ihr war bewußt, welche Überwindung es Edvard gekostet haben mußte, sie anzurufen. Er ergriff nicht so schnell die Initiative.
»Mal sehen«, sagte sie. Ihr Spiegelbild zeigte ein käsiges Gesicht. Der Traum hatte Spuren hinterlassen.
»Du kannst mich ja auf dem Handy anrufen«, meinte er.
Sie hob den Klodeckel.
»Ich würde dich gerne sehen«, fügte er hinzu.
Lindell frühstückte mit Widerwillen und bekam ihr Müsli kaum herunter. An Kaffee war erst recht nicht zu denken. Sie blätterte in der Zeitung, ohne viel mehr aufzunehmen als die Schlagzeilen.
Mittlerweile waren fünfzehn Tage vergangen, seit Josefin und Emily gestorben waren, und sie hatten bei ihren Ermittlungen keinen Durchbruch erzielt. Falls Sven-Erik Cederén tatsächlich unschuldig war, wurden die Chancen immer geringer, den wahren Täter zu finden. Mit jedem Tag, der verging, rückte zudem die Entscheidung näher, ob sie abtreiben oder das Kind bekommen sollte, falls sie wirklich schwanger war.
Lächerlich, dachte sie und schlug die Zeitung zu. Sie würde zu spät kommen, konnte sich aber einfach nicht beeilen. Er wollte sie sehen. Sollte sie es ihm erzählen? Es wäre das Ende ihrer Beziehung. Er würde das nie akzeptieren. Niemals.
Um neun Uhr betrat Lindell ihr Büro. Auf dem Flur war sie Sammy Nilsson begegnet, der sie gegrüßt und dabei ein wenig fragend angeschaut hatte. Sieht man es mir an, dachte sie, als sie ihren Notizblock auf den Schreibtisch warf.
Das Telefon klingelte. Es war Haver.
»Fährst du jetzt zu Gabriella Mark?«
»In einer Stunde.«
»Ich bringe dir eine Wegbeschreibung.«
Sie hatten beschlossen, daß Lindell allein zu Cederéns Geliebter hinausfahren sollte.
Lindell konnte sie vor sich sehen, wartend, vermutlich im Garten.
Die Dumpfheit und der Überdruß des frühen Morgens wichen der Neugierde: wie die Frau aussah und welche Informationen sie ihnen geben könnte. Woher wußte sie, daß Cederén Gin getrunken hatte?
Wenn es stimmte, daß er niemals Gin trank, hieß dies, daß jemand ihn gezwungen hatte, einen Schnaps zu trinken, der ihm eigentlich zuwider war.
Erst jetzt wurde Lindell wirklich klar, was das bedeutete. Jemand anders hatte Josefin und Emily getötet. Irgendwo da draußen gab es einen unbekannten Täter, einen rücksichtslosen Mörder.
Havers Wegbeschreibung war genau, und sie fand den Weg auf Anhieb. Das erste, was ihr auffiel, als sie das Haus erreichte, war der Kontrast zu Uppsala-Näs und dem Haus, in dem Cederén gewohnt hatte.
Auf dem Hof und zwischen den Frühbeeten war niemand zu sehen. Lindell klopfte an die Tür, blickte sich um und wartete. Sie fühlte sich beobachtet. Sie klopfte erneut, diesmal etwas kräftiger.
Ihr Handy klingelte, aber sie schaltete es ab. Die Tür war nicht verschlossen. Sie schaute hinein und rief den Namen der Frau. Im Haus war es vollkommen still. Lindell trat ein. Sie ging
Weitere Kostenlose Bücher