Das Steinbett
vielleicht eine Zeit gegeben, in der das noch neu und spannend war, heute hofften sie nur noch auf Normalität.
»Ich denke, daß Gabriella Mark hier draußen im Wald bewußt die Einsamkeit gewählt hat. Aber sie liebte Cederén.«
Ganz genau, dachte Lindell. »Kann ihre Abhängigkeit von Cederén ihr Urteilsvermögen getrübt haben?«
»Vielleicht«, meinte Haver.
»Sie hat Beruhigungsmittel genommen, war lange krankgeschrieben. Vielleicht hat sie das beeinflußt.«
»Andererseits ist sie ermordet worden«, wandte Haver ein. Er stand schnell auf.
Lindell spürte seine Niedergeschlagenheit. Gabriella Mark war seine Spur, seine Idee gewesen. Es bedeutete einen großen Rückschlag für die Ermittlungen, daß sie nun, nachdem sie die Frau endlich aufgestöbert hatten, tot war. »Mach ruhig weiter«, sagte Lindell, blieb aber selber sitzen. »Das Motiv, es muß ein starkes Motiv geben.«
»Geld«, sagte Haver, der auf die Knie gegangen war und sich den Fußboden unter dem Bett ansah.
»Ja, ich glaube auch nicht, daß militante Tierschützer eine junge Frau erwürgen würden«, sagte Lindell, »aber vielleicht gibt es da trotzdem einen Zusammenhang.«
»Inwiefern?«
»Wenn an der Behauptung etwas dran ist, daß MedForsk sich der Tierquälerei schuldig macht oder gemacht hat, steht viel auf dem Spiel. Die öffentliche Meinung würde sich schnell gegen die Firma wenden. MedForsk ist ein aufstrebendes Unternehmen, und man möchte nicht, daß der gute Ruf befleckt wird.« Lindell versank in Gedanken.
Haver setzte die Suche fort. Er begann, ein Buch nach dem anderen aus dem Regal zu nehmen und zu schütteln, um Zettel zu entdecken, die möglicherweise zwischen den Seiten steckten.
»Ich gehe wieder runter«, sagte Lindell. »Wir lassen dann Ryde ran. Ich fahre in die Stadt. Rufst du mich an?«
»Ja klar. Ich glaube, Bronkans Leute sind gekommen.«
Sie waren speziell ausgebildet, um in offenem Gelände Spuren zu sichern, und durchforsteten minutiös die nähere Umgebung.
Lindell war gerade in den Wagen gestiegen, als Edvard anrief und fragte, ob sie ihn am späten Nachmittag treffen wolle. Sie war erleichtert, ihn damit vertrösten zu können, daß sie mit einem neuen Mord beschäftigt war. Falls er enttäuscht war, ließ er sich das jedenfalls nicht weiter anmerken, sondern wünschte ihr nur viel Glück. »Wir können uns ja am Wochende sehen«, schlug er vor.
»Mal schauen«, antwortete Lindell.
Obwohl sie sich die Zeit hätte nehmen können, in Ruhe mit ihm zu telefonieren, ließ sie ihn verstehen, daß sie in Eile war, und beendete das Gespräch. »Feigling«, murmelte sie.
Lindell warf einen letzten Blick zurück auf das Haus, als sie den Motor anließ. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung am Fenster im Obergeschoß wahr. Haver gestikulierte wild und versuchte vergeblich, das Fenster aufzubekommen. Lindell stoppte und stieg aus. Im gleichen Moment wurde das Fenster aufgerissen.
»Warte«, schrie Haver, »ich habe Aufzeichnungen gefunden.«
»Ich komme«, erwiderte Lindell und schlug die Autotür zu. Aufzeichnungen, endlich etwas Persönliches. Josefin Cederéns Tagebuch kam ihr in den Sinn.
Als sie das Schlafzimmer betrat, saß Haver auf dem Bett und blätterte in einem kleinen hellen Kalender, dessen Umschlag mit Blumen verziert war. Einen solchen Kalender hatte Lindell seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Sie hätte nie geglaubt, daß man so etwas noch kaufen konnte.
»Komm«, sagte Haver und reichte ihr den Kalender, bei dem er die Seite für den 29. Juni aufgeschlagen hatte.
Dort standen zwei Fragen: »Welche Rolle spielt Pålle? Kann ich mich auf ihn verlassen?«
Lindell sah Haver an.
»Gestern«, sagte sie, und Haver nickte. »Wo hast du ihn gefunden?«
»In dem Karton unter dem Nachttisch.«
»Gibt es noch mehr?« fragte Lindell, blätterte in dem dünnen Heftchen und sah auf ungefähr jeder zweiten Seite eine Notiz. Alle waren mit Bleistift geschrieben.
»Pålle«, sagte Haver, »wer ist das?«
»Pålle«, meinte Lindell nachdenklich, »klingt nach einem Spitznamen.«
»Wird sein Name auch noch an anderer Stelle genannt?«
»Soweit ich sehen kann, nicht«, erwiderte Haver.
»Es muß ein Mensch sein, zu dem sie eine persönliche Beziehung hat, jemand, der ihr etwas bedeutet«, sagte sie. »Wen nennt man Pålle?«
»Paul, Peter, Per-Olof, Petter«, versuchte sich Haver.
»Pålle, Pålle«, wiederholte Lindell abwägend.
Willkürlich schlug sie ein paar Seiten auf. Es
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