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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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Panik überwältigte Julius mehr, als es die Gegenwart der Darmspindel nicht vermocht hätte. Lanz gelang es, Julius ein Stück hochzuheben und ihn so näher an den zischelnden Abgrund zu bringen. Das Gesicht des anderen war jetzt ganz dicht vor seinem. Und Julius sah, dass dieser ebenso mit dem Blutverlust zu kämpfen hatte wie er selbst.
    Da tat Julius das Einzige, was ihm einfiel, um das Blatt noch einmal zu wenden. Er suchte mit den Fingern nach dem Loch, das Lischkas Kugel gerissen hatte. Er schloss die Augen und bohrte sich in diese nasse, zerfetzte Mulde. Das Brüllen seines Widersachers erfüllte das Glasgewölbe mit tausend Echos.
    Lanz taumelte zur Seite, und plötzlich war es Julius, der ihn gegen das Gitter drückte. Aus dem Abgrund zischte und fauchte es. Julius’ Hände waren nass von Blut, er rutschte ab, seine Knie knickten ein, und er sackte gegen den anderen. Im nächsten Moment fand er sich allein auf dem Boden vor dem Absperrgitter wieder. Ein Schrei verebbte gerade. Diesmal klang er nicht wütend, nicht rasend. Es war ein Schrei voll unbegreiflicher Angst.
    Dann war es still.
    Erst jetzt erkannte Julius, dass Lanz über das Gitter gefallen war. Er hatte ihn nicht gestoßen. Irgendetwas hatte ihn nach unten gezogen.
    Im nächsten Moment war das Echsengehege von hellem Licht erfüllt. Julius vergrub den Kopf zwischen den Armen. Die plötzliche Helligkeit schmerzte ihn. Um ihn herum waren die Stimmen vieler Männer, er hörte das Hecheln eines Hundes. Dann wurde er auf den Rücken gedreht. Worte prasselten auf ihn nieder. Doch er konnte nichts sagen und nahm mit Erleichterung wahr, dass jemand ihm einen Verband auf den Bauch drückte.
    „Wo ist er?“, fragte er verzweifelt.
    Dann brandete ein Schwall von Entsetzenslauten auf, der ihn fortspülen wollte wie eine Flutwelle. Im nächsten Moment wurde er hochgehoben und schaute blinzelnd in den hell erleuchteten Abgrund hinter dem Gitter. Dort, auf der Erde zwischen Steinen und Gestrüpp, lag der verdrehte Körper des Bildermörders. Die Augen weit aufgerissen, der Mund in einem stummen Schrei des Entsetzens geöffnet. Und um ihn herum wimmelte es von seltsamen schimmernden Leibern. Eine armdicke Schlange hatte sich um den Oberschenkel geschlungen. Ein kleineres Tier biss wütend in den Kehlkopf des Mannes. Eine andere hatte nach seinem Ohr geschnappt.
    Julius würgte. Er ruderte schwach mit den Armen, und das Bild verschwand. Er spürte noch, wie er hinausgetragen wurde, dann wurde es dunkel.

XII
    Die Sonne fiel in einem goldenen Strahl schräg ins Zimmer und auf die weiße Bettdecke über seinen Füßen. Als Julius zum ersten Mal das Bewusstsein länger als nur wenige Minuten wiedererlangte, spürte er die Wärme an seinen Füßen und blinzelte in die Helligkeit.
    Er sah gleich, dass es wieder ein Zimmer im Allgemeinen Krankenhaus war. Im selben Augenblick schossen ihm zwei Fragen durch das erwachende Bewusstsein. Was war mit Lischka? Und war es wieder Johanna, die ihn pflegte?
    Er wandte sich zur Seite und sah, dass er allein im Zimmer lag. Vorsichtig betastete er seinen Bauch. Er fühlte einen dicken Verband, doch er spürte keinen Schmerz. Nur ein dumpfes Ziehen und Pochen.
    Wie viel Zeit war vergangen? Die letzten Bilder, bevor er das Bewusstsein verloren hatte, stürmten auf ihn ein. Der Bildermörder in diesem tödlichen Schlangennest … Die Erleichterung, dass er noch am Leben war, breitete sich nur zaghaft aus. Zu übermächtig war das schreckliche Gefühl, dass sein Freund es wahrscheinlich nicht geschafft hatte.
    Kurze Zeit später tauchte eine Krankenschwester auf – es war nicht Johanna – und gab ihm etwas zu trinken. Dann erschien ein Arzt, der sich lächelnd an sein Bett setzte und ihm den Verband am Bauch abnahm.
    „Also das hätte ich mir nicht verziehen, wenn Sie es nicht geschafft hätten!“, sagte er und drückte Julius kräftig die Hand. Der sah ihn verwirrt an.
    „Na, wo doch jeder weiß, dass Sie den Bildermörder zur Strecke gebracht haben!“
    Julius schloss die Augen. „Er hat sich selbst zur Strecke gebracht“, murmelte er.
    „Ach was, die Zeitungen sind voll von dieser Geschichte. Sie werden als Held gefeiert, Julius Pawalet! Nur schade, dass sie alles verschlafen haben.“
    „Wie lange war ich weg?“, fragte er.
    „Heute ist der 5. Januar. Aber das ist auch kein Wunder.“
    Der Arzt zog behutsam ein großes Mullstück von Julius’ Bauch und begutachtete die Verletzung. Julius nahm nur eine rote,

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