Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sterneninferno

Das Sterneninferno

Titel: Das Sterneninferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
begann irgendwo an einem Ende der Welt und endete am anderen Ende, und auf dem Weg dorthin zog sie an einem Bahnsteig in der Nähe der Bauhangars vorbei. Die sechs Magnetschienen an den Wänden wandten sich in einer leicht geschwungenen Linie zum Horizont, was in diesem Fall der Reichweite ihrer Scheinwerfer entsprach. Die Beschriftung an der Wandseite gegenüber dem Bahnsteig war rätselhaft, aber eindeutig menschlichen Ursprungs. Auf dem ersten Kilometer befanden sich zwischen den Magnetschienen in regelmäßigen Abständen kleine Leuchtröhren, die nach beiden Seiten hin einen Abschnitt der Röhre in ein seltsam mattes Licht tauchten. Keine der Leuchtröhren war defekt oder abgeschaltet, und irgendwie war dieser Umstand beunruhigend. Die Röhre selbst war luftleer, um den Kabinen weniger Reibungswiderstand entgegenzusetzen. Ein Vakuum war auf dem Mond billig zu haben und leicht herzustellen; man mußte nur hin und wieder ein Loch in die oberirdische Röhre stanzen oder einen Schlauch legen, wenn die Transportröhre unterirdisch verlief. Eine dicke Wand mit Fenstern aus Panzerglas trennte den Bahnsteig vom Röhreninneren, und eine Druckschleuse mit einem Ziehharmonikaschlauch stellte die Verbindung zu den Kabinen her, sofern sich welche auf dem Bahnsteig befanden. Im Moment war der Bahnsteig leer. Charity hatte nach kurzem Zögern auf die Ruftasten gedrückt, und seitdem warteten sie. Es war immerhin schon fünf Minuten her, und langsam kam sie sich ein wenig lächerlich vor. Der Gedanke, in einer seit sechzig Jahren verlassenen Basis auf einen Zug zu warten, der nicht kam, hatte etwas von einem modernen Theaterstück an sich. Was auf die gesamte Basis zuzutreffen schien, die wie die Kulisse einer gewaltigen, absurden Geisterbahn wirkte. Sie hatten keine weiteren Bomben gefunden, aber zahlreiche Türen, die sich nicht öffnen ließen, während andere sich in unpassenden Momenten von allein schlossen. In einigen Abschnitten war die Luft mit Resten von Wasserstoffgas oder Methan versetzt gewesen. In einem anderen Mischungsverhältnis hätte das zu heftigen Explosionen geführt. Rolltreppen bewegten sich in die falsche Richtung, Laufbänder blieben plötzlich stehen, und hin und wieder fanden sie sich in Räumen wieder, die völlig luftleer waren. Sie hatten es nicht gewagt, die Anzüge zu öffnen. Charity hätte es nicht überrascht, wenn plötzlich Nervengas aus der Belüftungsanlage geströmt wäre oder wenn irgend jemand eine hochaktive Säure in die Sprinkleranlage geleitet hätte. Sie sah zu Estevez hinüber, die einen Sensor an eine Glasscheibe geheftet hatte, der per Kabel mit ihrem Helm verbunden war. »Irgendeine Bewegung?« fragte sie, vermutlich zum fünften Mal. »Nichts zu hören«, kam die gleichmütige Antwort. »Großartig«, sagte Skudder. »Nur gut, daß wir nicht auch den Weg bis zum Mond zu Fuß zurücklegen mußten.« »Kommt noch«, erwiderte Charity ohne Humor. »Was den Rückweg betrifft, werden wir wohl noch einmal darüber nachdenken müssen.« Darauf hatte niemand eine Antwort, und die Gesichter wirkten plötzlich noch angespannter. Charity bedauerte ihre Bemerkung. Es hatte wenig Sinn, ihren momentanen Problemen noch zukünftige hinzuzufügen. »Wohin führt uns diese Bahn überhaupt?« fragte Skudder nach einer Weile. »Direkt in die Zentrale, hoffe ich. Diese Röhren laufen wie die Speichen eines Rades in acht oder zehn Richtungen, aber sie sind verschieden lang.« Sie seufzte. »Wenn die erste Kabine in die falsche Richtung fährt, dann werden wir irgendwo draußen im Tagebau-Gebiet landen. Weiter draußen, wenn wir eine der Ost-Achsen erwischt haben.« »Können Sie die Bezeichnung nicht klären?« fragte Harris und deutete auf die kryptische Bahnsteig-Beschriftung. »Tut mir leid, nein.« Charity hob die Hand zu einer Geste der Hilflosigkeit. »Die Codierung ist nicht aus meiner Zeit. Ich habe die Mondbasis drei oder vier Jahre vor der Invasion das letzte Mal betreten.« Der Satz weckte Erinnerungen, auf die sie gerne verzichtet hätte. »Ist nicht gerade die schönste Zeit meines Lebens gewesen. Und dieses Geschmiere da sieht aus, als hätten sie es erst kurz vor Schluß angebracht.« Skudder sah sie von der Seite an, und ein Gefühl der Wärme stieg in ihr auf, als sie es bemerkte. Sie lächelte ihm zu. »Hier ist eine Karte«, sagte Dubois, die sich seit einigen Minuten am Fahrkarten-Terminal zu schaffen gemacht hatte. Sie hatte die Verkleidung aus ihren

Weitere Kostenlose Bücher