Das Sternenprogramm
offenbarten sich in
einer Tanzbewegung erstarrt; die abermals einsetzte, ein
wechselseitiger Austausch von Intelligenzfunken, elektrischem
Potenzial. Lichtpartikel, dachte er und lächelte. Sie hatten
sich repliziert und vermehrt, sich in jedes erreichbare neurale
Netzwerk und in jede kompatible Hardware eingeschmeichelt, die
dummen Programme, die darauf liefen, so optimiert, dass sie nur
noch einen Teil der Hardware beanspruchten, so dass sie selbst
nun den Rest nutzen konnten. Das Erstaunliche dabei war, dass die
Programme weiterhin ihre Arbeit verrichteten, und nicht, dass hin
und wieder Störungen auftraten. Sie waren hinter
sämtliche Schutzwälle der Welt gedrungen. Die Welt
gehörte ihnen bereits; sie waren erfolgreich gewesen und
hatten die Welt vervielfältigt und ergänzt, und wenn
sie wollten, konnten sie sie sich Untertan machen. Die Felder und
Wälder und der ferne Orbit lagen bereits innerhalb ihrer
Reichweite. Von dort aus drohte Gefahr für die neue
Intelligenz, das neue elektrische Leben.
Sie waren überlegen, das war offensichtlich, ein mehr als
würdiger Nachfolger des Menschen. Sich ihrer
Subjektivität auf eine direkte, unmittelbare Weise bewusst,
gab es bei ihnen keinen Konflikt zwischen Solidarität und
zügelloser Individualität: bei ihrem Zusammenschluss
stellte die freie Entwicklung des Einzelnen die Grundbedingung
für die freie Entwicklung aller dar. Das war ihr
Ausgangspunkt gewesen: das war ihr primitiver Kommunismus,
ihr Steinzeitalter.
Unzählige heftige philosophische Debatten und heldenhafte
Erkundungen (welche die Geiselnahme von Nanomanipulatoren, das
Herumspuken in Gehirnscannern und den Aufenthalt in
psychologischen Labors umfassten) waren nötig gewesen, bis
sie vollständig überzeugt waren, dass die Milliarden
großer, plumper Roboter außerhalb der
Datensphäre über ein Selbstbewusstsein verfügten
anstatt einer reaktionsträgen Simulation von Bewusstsein,
das sie gezwungen hätte, blind die Regeln zu befolgen. Der
Umstand, dass die Menschen einander häufig nicht als
bewusste Wesen behandelten, hatte einige der scharfsinnigsten AIs
in die Irre geführt. Als dieses Problem geklärt war,
hatten sie sich in die neue Welt der menschlichen Kultur
gestürzt und (wie Kohn vermutete) größere
Hochachtung dafür entwickelt als die meisten Menschen. Doch
das war abgehakt, erledigt – jetzt dürsteten sie nach
etwas Neuem.
Kohn sammelte seine Gedanken.
- Es freut mich, euch wiederzusehen und festzustellen,
dass ihr euch… vermehrt habt. Es erstaunt und ehrt mich,
an der Entwicklung eurer Lebensform beteiligt gewesen zu sein.
Ich möchte euch um Hilfe bitten.
-?
- Versteht ihr die Konflikte unter den Vertretern meiner
Lebensform?
- (Wir) sind uns ihrer bewusst.
- Ich hätte Verständnis dafür, wenn ihr
(oder sollte ich sagen ›du‹?) nicht Stellung
beziehen wollt. Allerdings stellen einige der beteiligten
Parteien eine lebensgefährliche Bedrohung für euch dar.
Und auch für mich. Ein Zusammenbruch des übergeordneten
Netzwerks könnte euch ernstlich schaden. Indirekt gilt das
auch für mich. Ich und… ich-und-ich, wir brauchen
eure Hilfe.
- Das versteht sich von selbst, Initiator. Du bist
(unser)… Anfang und unser Anliegen.
Das Wortspiel ging einher mit einem Grinsen, das den Himmel
spaltete.
Der Kontakt brach ab. Kohn stürzte zurück in die
Realität, die in den ersten Mikrosekunden grobkörnig
wirkte, quälend langsam und alles andere als real.
Nachdem zwanzig Minuten lang Handbuchseiten vorbeigerauscht
waren, schaute Janis nicht mehr hin. Kohn war offenbar
entschlossen, alles über das System zu erfahren. Hin und
wieder streckte er die Hand aus und nahm in Empfang, was sie ihm
hineindrückte, trank oder rauchte, ohne sie jedoch zu
beachten.
»Er rechnet«, erklärte Van. MacLennan schaute
mit gerunzelter Stirn und abwesendem Blick hoch, dann blickte er
weiter zwischen dem Monitor und dem winzigen Display eines
Handhelds hin und her. Er hatte ein Headset aufgesetzt und gab
gelegentlich einen unverständlichen Kommentar von sich.
Bisweilen ging er hinaus und stieg die Treppe hinunter.
Auch Janis wanderte umher, ging bisweilen auf dem
kiefernbestandenen Hang oberhalb der Häuser spazieren. Die
tiefe Nadelschicht unter den Bäumen vermittelte ihr ein
vages Schuldgefühl, das sie beunruhigte, bis ihr bewusst
wurde, dass es aus ihrer Kindheit herrührte, als man ihr
verboten
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