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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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hatte, mit den Schuhen über das Bettzeug zu laufen.
Sie lachte und trat in die Nadeln, nieste vom Staub, knipste ein
Stück hartes Harz von einem Baumstumpf ab und ging weiter,
sog begierig den Duft ein.
    Über Decken laufen, die auf dem Boden ausgebreitet sind.
Das Verbot kam ihr unnötig vor. In ihrem Schlafzimmer hatten
die Decken stets auf dem Bett gelegen. Dennoch erinnerte sie sich
an einen Vorfall: ihre Mutter war ganz außer sich gewesen
und hatte getobt. Das war bei ihr nur selten vorgekommen.
    Sie gelangte aus dem Wald auf eine erodierte Hügelkuppe,
zusammengesetzt aus Findlingen und blankem Fels und einer
dünnen Erdschicht, auf der zähes Heidekraut, eine
Pflanze mit Pfefferminzgeruch und hartes Gras wuchsen. Ein Schaf
mit schwarzem Kopf blickte ihr mit dumpfer Überheblichkeit
entgegen, dann setzte es sein Zerstörungswerk fort und
graste weiter. Am Gipfel schaute Janis sich um, betrachtete den
Meeresarm in der Tiefe, die verstreuten Inseln, schwarze Flecken
im funkelnden Wasser. In weiter Ferne war gerade eben ein
weiterer Schatten zu erkennen, der sich gezackt wie geborstenes
Metall vom blassen Himmel abhob.
    Janis ließ sich auf einem von Flechten gesprenkelten
Findling nieder, wobei sie darauf achtete, sich nicht auf die
Flechten zu setzen. Wahrscheinlich waren sie höllisch
radioaktiv. Ein Gedanke machte sich bemerkbar, verschwand aber
gleich wieder, wenn sie ihn zu fassen versuchte.
    Die Stille hatte etwas Bedrohliches. Ungebetene, unwillkommene
Gerüchte gingen ihr durch den Sinn. Die Republikaner
vertreiben die Dorfbewohner. Bei denen lächelt niemand. Nach allem, was sie gesehen hatte, mochte dies durchaus
zutreffen, doch sie wusste, dass es nicht stimmte. Die
Entvölkerung war eine militärische Notwendigkeit,
außerdem setzte sie lediglich einen seit Jahrhunderten
wirksamen Trend fort. Vor allem aber war sie tief in ihrem Innern
davon überzeugt, dass die Republik human sei. Sie war
militaristisch und sozialistischer, als ihr recht war, doch sie
war auch demokratisch. Sie versuchte, eine Begründung
dafür zu finden. Sie hatte Aussteiger kennen gelernt, und
obwohl sie ihre Gründe nachvollziehen konnte, war ihren
Erzählungen doch zu entnehmen gewesen, dass es ihnen
freigestanden hatte, ihre Kritik vorzubringen und zu gehen. Sie
vertraute auf Mohs Urteil. MacLennan und Van waren keine
bösen Menschen. Vor allem aber hatte sie ihre Erinnerungen.
Wie Moh bei ihrer ersten Begegnung richtig bemerkt hatte, war sie
ein Kind der Republik, ein Wissen, das sie machtvoll
verdrängt hatte, denn es erinnerte sie schmerzhaft an eine
freundlichere, bessere Welt.
    Und deshalb war diese öde, wunderschöne Gegend nach
wie vor ihr Land. Ihr Stiefmutterland.
    Die Erinnerung an die Akkorde der Hymne, auf die sie den Eid
abgelegt hatte, und die kleine, hochgereckte Faust stürzte
auf sie ein.
    Energischen Schritts machte sie sich auf den Rückweg,
zurück zu dem mentalen Kampf.
     
    MacLennan war in der Küche und beugte sich gerade
über ein Databoard, dessen fadenartige Kabel in Wandbuchsen
verschwanden. Van saß im oberen Stock auf der Stuhlkante
und starrte, in Qualmwolken gehüllt, vorgebeugt auf den
Monitor.
    »Er ist vor zehn Minuten online gegangen«, sagte
Van, ohne sie anzusehen. »Hat anscheinend einen dicken
Fisch an der Angel – ah!«
    Ein paar Sekunden lang verschmolzen die Farben auf dem
Monitor. Kohn schnappte nach Luft und wandte den Blick ab, schob
die Brille in die Stirn hoch und riss die Kabel heraus. Er erhob
sich und trat ans Fenster.
    »Was ist los?«, fragte Janis. »Klappt es
nicht?«
    Kohn drehte sich zu ihr und Van herum, sein Gesicht eine
undurchdringliche Maske.
    »Doch, es hat geklappt. Ich habe den Kontakt
hergestellt.«
    »Mit der gleichen Wesenheit wie beim ersten Mal?«,
fragte Van gespannt.
    »Ja.« Kohn runzelte die Stirn. »Nun ja
– das ist die Frage. Es gibt Millionen Wesenheiten.
Milliarden. Da drin lebt eine ganze Zivilisation von diesen
Dingern. Dort draußen. Es ist unglaublich!«
    »Mir kommt es glaubhaft vor«, meinte Janis.
»Nein, nein, überhaupt nicht. Der Uhrmacher…
ach Gott, ach Gaia, was haben wir getan?«
    Das hätte sie sich niemals träumen lassen.
    Van fixierte Kohn über den ausgestreckten Zeigefinger
hinweg; es hatte den Anschein, als quelle Rauch dahinter hervor,
was niemanden erstaunte.
    »Wir haben viel Zeit, die Antwort darauf zu
finden«, bemerkte er trocken. »Jetzt stellt sich

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