Das Sternenprogramm
Rekruten
vorgemerkt. Moh, der sich seit dem achten Lebensjahr die
Dale-Carnegie-Schule des trotzkistischen Parteiaufbaus
einverleibt hatte, achtete kaum auf die Unterhaltung. Irgendwann
würde Logan Stone eine Verpflichtung entlocken – er
würde eine Verabredung treffen, Telefonnummern austauschen,
ein Abo verkaufen – und sich dann ganz auf Moh
konzentrieren.
Er hielt Ausschau nach einem bekannten Gesicht, während
ihm durch den Kopf ging, dass die alten Genossen am Ende doch
keine solch guten Genossen gewesen waren, und bemerkte ein
unverändertes, vertrautes Gesicht, das auf den mittlerweile
leeren Tisch mit den Pamphleten niederblickte. Moh ging
hinüber.
»Bernstein!« Das ledrige Gesicht, das sich ihm
zuwandte, hatte in den sechs Jahren seit ihrer letzten Begegnung
keine einzige Falte hinzugewonnen. Der schüttere weiße
Haarschopf war nicht schütterer geworden.
Einen Moment lang wunderte Moh sich darüber, dass
Bernstein ihn nicht erkannte; dann fiel ihm ein, dass er beim
letzten Mal zu ihm hochgeblickt hatte.
»Ich bin Moh Kohn«, sagte er.
Bernstein starrte ihn an, dann schüttelte er ihm herzlich
die Hand. »Erstaunlich!«, sagte er. »Ich
hätte dich nie erkannt.«
»Sie haben sich nicht verändert.«
Bernstein nickte zerstreut. »Was hat dich
hergeführt?« Er tätschelte die Bücherstapel
und die Pamphlete, die er zu erwerben gedachte, und setzte hinzu:
»Du weißt, weshalb ich hier bin. Das sind richtige
Sammlerstücke.«
»Ah, ja.« Bernstein hatte sich mit der Vierten
Internationalen im Zuge einer Meinungsverschiedenheit, die
mittlerweile außer ihm niemand mehr erklären konnte,
überworfen (und von ihr getrennt), und sich daraufhin an die
Sisyphusarbeit gemacht, die definitive Geschichte der Bewegung zu
verfassen. Ein unermüdlicher Archivar aus eigenem Recht,
verdiente er ein wenig Geld damit, seltene Exemplare aller
möglichen Richtungen der radikalen Literatur zu verkaufen.
Mohs Vater war Stammkunde bei ihm gewesen.
Moh wusste nicht so recht, wie er auf die Frage antworten
sollte.
Er zuckte die Achseln. »Neugier«, sagte er.
Bernstein blickte an ihm vorbei und sagte: »Gehen wir zu
deinen Freunden hinüber.«
»Soll ich Ihnen etwas zu trinken holen?«
»Mit einem solchen Angebot habe ich schon gar nicht mehr
gerechnet. Guinness, bitte.«
Als Moh von der Theke zurückkam, saßen Stone,
Bernstein, Logan und die beiden Alten an einem Tisch und
unterhielten sich angeregt. Nach einer Weile wandte Logan sich
ihm zu und sagte: »Und du bist Moh Kohn, hab ich
Recht?«
»Hi.« Moh hob das Glas. »Freut mich, dich
kennen zu lernen.«
Sie unterhielten sich eine Weile über die Arbeit im
Weltraum und ihre jeweilige Gewerkschaft. Moh entspannte sich
allmählich. Dann musterte Logan ihn merkwürdig.
»Du bist der Sohn von Josh Kohn?«
»Ja«, antwortete Moh. »Wenn das von
Bedeutung ist.«
Logan erwiderte gelassen seinen Blick, dann beugte er sich
näher zu ihm. »Ich möchte dich was fragen«,
sagte er. »Weißt du was über die
Sternenfraktion?«
»Die ›Sternenfraktion‹?« Logans
Gesicht war zu entnehmen, dass er zu laut gesprochen hatte, und
aus den Augenwinkeln sah er auch, weshalb das so war: Bernstein
spitzte die Ohren in ihre Richtung. »Nein.« Er
zögerte. »Da… klingelt was bei mir,
aber…« Er schüttelte den Kopf. »Nee. Es
ist weg. Klingt so, als wärst du da Mitglied.«
»Könnte man schon sagen, dass ich zur
Sternenfraktion gehöre.« Logan lachte. »Ich bin die Sternenfraktion.«
»Da gibt’s bestimmt spannende interne
Diskussionen.«
»Ja, das kann man wohl so sagen.«
»Was also ist die Sternenfraktion?«
Logan sah Bernstein an, dann die beiden alten Kader. Der alte
Mann nickte leicht. Logan beugte sich vor, stützte die
Ellbogen auf die Knie und zeigte seine Handflächen vor.
»Das wissen wir nicht. Josh war der Softwarehexer der
Partei, der Internationalen. Er hat sich für den
Einsatz des Netzes stark gemacht, für
Verschlüsselungstechniken und all das. Man könnte
sagen, er hat uns Zutritt zum Cyberspace verschafft. Es gab
deswegen heftige Diskussionen… Fraktionskämpfe. Heute
kaum noch nachzuvollziehen.«
Bernstein schnaubte. Logan lächelte und fuhr fort:
»Jedenfalls überlebten einige der von ihm ins Leben
gerufenen Systeme den Krieg, die EMP-Angriffe und all das und
entgingen den großen Säuberungen während des
Friedensprozesses. Erstaunlich. Wir, das heißt die VI,
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