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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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setzen.
Die Wettschalter wurden umlagert. Alles plapperte durcheinander. Amfortas ’ Sieg wurde ausgiebig diskutiert. So was verkürzt
die Wartezeit. Der Angestellte hinter dem Schalter von Steeple -Chase war lange nicht so schnell wie Amfortas . Die
Wettlustigen wurden ungeduldig. Und sie wurden noch ungeduldiger, als die
Lautsprecherstimme verkündete: „Die Pferde begeben sich in die Sättel.“
Allgemeines Gelächter. Der Mann hinterm Schalter legte einen höheren Gang ein.
Vor mir standen noch zwei, als ich hörte: „Die Pferde gehen an den Start!“ Ich
wurde gerade noch bedient. „Der Start ist erfolgt!“ Sofort erhob sich das
übliche Gebrüll.
    Ich eilte zu meinem Platz zurück. So
ein Rennen dauert nicht ewig. Wollte doch wenigstens sehen, wie sich mein
Favorit schlug. Vor mir sprang noch jemand in letzter Minute die Treppe hinauf.
Die Zuschauer brüllten immer lauter. Anscheinend tat sich auf der Rennbahn was
Sensationelles. Ich wurde von jemandem überholt. Seine langen Beine schienen
aus Gummi. Er verschwand hinter dem nächsten Treppenabsatz.
    Die drei Schüsse wurden von dem
Geschrei der wildgewordenen Menge übertönt. Nur drei Leute hörten sie: der
Kerl, der sie abgab, der, der sie sich fing, und ich. Ich rannte noch einen
Schritt schneller. Ein paar Stufen über mir sah ich einen Körper liegen, Kopf
nach unten, im eigenen Blut gebadet. Obwohl der Schnäuzer in seinem
schmerzverzerrten Gesicht fehlte, erkannte ich ihn sofort. Vor dem Revolver
sind alle Menschen gleich. Seine Judokünste hatten ihm heute nichts
genützt. Für unsere Unterhaltung sah ich schwarz.
     
    * * *
     
    Es war vielleicht nicht grade die richtige
Tageszeit für einen Aperitif, aber ich gönnte mir einen im Bistro an der Place
du Trocadéro , Ecke Avenue d’Eylau .
Mein Blick hatte die Wahl zwischen dem Eiffelturm, der sich wie ein Dolch in
den Himmel bohrte, dem Monument zu Ehren der Französischen Armee an der
Friedhofsmauer von Passy — ein Monument, das der Moral unserer Nation meiner
Meinung nach sehr geschadet hat — und dem Totempfahl, den Kurt Seligman aus Kolumbien mitgebracht hat und der jetzt am
Eingang des Musée de l’Homme Wache hält. (Der
Totempfahl natürlich.) Mein Blick hatte also die Wahl, aber er schweifte immer
wieder ab. Weit, weit weg. Zu Lasserres Leiche, dem
ritterlichen Gauner, dem man so gründlich das Maul gestopft hatte. Lasserre selbst war noch viel weiter weg.
    Ich hatte kaum Zeit gehabt, sein
Gesicht zu erkennen, als das zweite Rennen auch schon beendet war und die Menge
auf die Treppe stürmte. In der allgemeinen Verwirrung konnte ich mich aus dem
Staub machen. Hier im Café du Trocadéro kannte mich
niemand. Ich konnte in Ruhe über die Ereignisse nachdenken. Zwischendurch hatte
ich noch Hélène angerufen und sie hierherbestellt, zusammen mit Zavatter .
    Die beiden kreuzten gegen sieben auf.
Die letzten Ausgaben der Abendzeitungen berichteten über das „Drama auf der
Rennbahn“. Ich gab meinen Mitarbeitern die zusätzlichen Informationen.
    „Seine Komplizen sind also nicht auf
seine Schauspielerei reingefallen, als er sich mit Ihnen verabredet hat“, sagte
Hélène.
    „Sieht ganz so aus“, stimmte ich ihr
zu. „Aber trotzdem... Mir ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, daß ich Madame
Ailot von der Verabredung auf der Rennbahn erzählt habe... von dem Mann, der
mir Suzannes Unschuld beweisen wollte.“
    „Madame Aliot !“
rief meine Sekretärin.
    „Ich weiß, das ist idiotisch. Hab
nicht mal seinen Namen genannt. Ganz offensichtlich haben ihn seine Komplizen
zum Schweigen gebracht. Aber trotzdem...“
    „Eine seltsame Heilige, Ihre
Klientin“, meldete sich Zavatter . „Sie ist nicht mehr
meine Klientin. Eine seltsame Heilige, sagten Sie? Wissen Sie Näheres? Sie sollten
doch den Fall Masuy untersuchen. Hat sie was damit zu
tun?“
    „Mehr oder weniger.“
    „Was denn nun? Mehr oder weniger?
Erzählen Sie schon!“ Mein Mitarbeiter warf einen mißtrauischen Rundblick um sich.
    „Gehen wir in den Jardin duTrocadero “, sagte er dann. „Um diese Zeit ist bestimmt
kein Mensch da.“
    Es war wirklich kein Mensch da. Nicht
mal ‘ne Katze streunte über die verschlungenen Wege. Nur das Kinderkarussell
drehte sich noch. Wohl zum Vergnügen des Karussellstoppers ,
denn von Fahrgästen war weit und breit nichts zu sehen. Durch die abendliche
Stille tönte die Kirmesorgel. Wir setzten uns auf eine Bank vor das
geschlossene Aquarium.
    „Ich habe die Prozeßprotokolle

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